Veritas
Blau für die Augen auch unter die Nase schmieren. Beim Schminken helfen sie sich gegenseitig, und da sie Rivalinnen sind, geben sie einander die schlechtesten Ratschläge. Zum Färben ihrer Augenbrauen benutzen sie so viel Schwarz, dass sie sich zwei gewaltige Bögen von der Nasenwurzel bis zu den Schläfen malen, oder, schlimmer noch, sie zeichnen sich gleich eine einzige breite Linie quer über die Stirn.
«Die Wirkung ist in Verbindung mit der Faulheit und Schmutzigkeit der türkischen Frauen schlechterdings abstoßend, glaub mir», verkündete Populescu mit einer Grimasse.
«Seit wann bist du denn zum Fachmann für osmanische Harems geworden?», wunderte sich Koloman Szupán.
Als wenn das nicht genüge, fuhr Populescu ungerührt fort, sei jedes weibliche Gesicht auf so komplizierte Weise geschminkt, dass es als ein Kunstwerk gelte, welches durch Waschen zu zerstören und allmorgendlich neu aufzutragen für zu mühselig erachtet werde. Idem bei Händen und Füßen, die gerne orange gefärbt würden. Also wüschen sie sich nie, da sie fürchteten, das Wasser könne den ganzen Putz auflösen. Erschwerend kämen zum Dreck der Harems die zahlreichen Kinder und Dienerinnen hinzu, häufig leider Negerinnen, welche mit den Frauen lebten.
«Die Negerinnen ruhen auf den gleichen Diwanen und Sesseln wie ihre Herrinnen, sie setzen ihre Füße auf die gleichen Teppiche und lehnen mit dem Rücken an der gleichen Tapete! Igitt!», rief Dragomir aus.
«So sehr ekelst du dich vor den Negerinnen?», frotzelte Koloman. «Es wundert mich, dass du einen so feinen Geschmack hast …»
«Es sind ja nicht alle wie du, der sich sogar mit einer Affin einlassen würde», gab der Rumäne zurück.
Populescu berichtete weiter, dass Glas in Asien noch eine Neuheit sei, weshalb die meisten Fenster mit Wachspapier verschlossen würden. Dort, wo auch Papier wenig bekannt sei, behelfe man sich, indem man die Fenster ganz weglasse und sich mit dem Licht begnüge, das durch den Kamin falle. Dieser Schein reiche völlig aus, um zu rauchen, zu trinken und die widerspenstigen Kinder zu peitschen, denn das seien die einzigen Tätigkeiten, welchen die türkischen Frauen sich den ganzen Tag lang widmeten.
«Kurzum, die Harems sind hermetisch abgeschlossene, künstliche Höhlen, bis zum Ersticken von eisernen Öfen beheizt», schloss Populescu mit einem groben Gelächter und legte sich die Hände um den Hals, um das Gefühl des Erstickens zu mimen.
«Da gibt es nichts zu lachen», mischte sich überraschend Cloridia ein, nachdem sie während der ganzen Schilderung Populescus geschwiegen hatte. «Luft fehlt in den Harems völlig, das ist wahr, aber die armen Frauen spüren das gar nicht, im Gegenteil, sie sitzen stundenlang vor dem Feuer. Denn die Ärmsten sind den ganzen Tag lang eingeschlossen, können sich fast nicht bewegen und frieren daher fortwährend. Meine Mutter war Türkin», bekannte sie gelassen.
Die unerwartete Offenbarung ließ das fröhliche, kleine Auditorium augenblicklich erstarren.
«Auf jeden Fall habt Ihr mein vollstes Mitleid: Ich wusste nicht, dass Ihr ein Eunuch seid», fügte meine Frau mit einem breiten Lächeln zu Dragomir gewandt hinzu. «Denn – das wisst Ihr ja, oder? – der Zutritt zu einem Harem ist Männern strengstens verboten, zumindest solchen, die diesen Namen verdienen …»
Nach diesen Worten erhob sie sich und ging hinaus.
Als sich die Versammlung auflöste, kehrte ich zu Cloridia und dem Kleinen ins Kloster zurück, wo auch ich mich der Tortur der Deutschstunde unterzog, die wegen des morgigen Sonntags um einen Tag vorverlegt worden war. Wir schlugen uns nicht einmal schlecht, obwohl wir im Geiste mit anderen Dingen beschäftigt waren. Heute Abend war eine Konversation über das Reisen an der Reihe:
«Mein Herr, ich komme erstlich, mich zu entschuldigen, da ich in meiner Abreiß von dem Herrn sein Urlaub genommen habe.»
«Mein Herr, wo keine Beleidigung ist, da ist keine Entschüldigung vonnöthen»
«Fürwahr, mein Herr, ich verbleibe ihm sehr verobligiert wegen der Ehr.»
Und so ging es weiter. Ollendorf hieß uns eine Reihe Höflichkeitsformeln wiederholen, die ebenso elegant wie von zweifelhaftem Nutzen für einen Rauchfangkehrer und seine Familie waren.
20. Stunde: Die Beisln und Bierhäusl schließen ihre Pforten.
Das Orchester hatte mit dem Vorspiel zur Arie des Alexius begonnen. Der Hauptteil wurde von Francesco Conti auf der Laute gespielt, einem guten Freund von Camilla de’ Rossi,
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