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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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ausgerechnet in dem Moment die Tür zum Treppenhaus geöffnet, als der Mensch in den zweiten Stock huschte. Durch sein wachsames Gebaren neugierig geworden, verließ Cloridia ihre Gesprächspartner und folgte ihm unhörbar.
    «Ich hatte Angst, aber es war mir das Risiko wert. Vielleicht hatte der Kapuzenmann wieder eine Unterredung mit Ciezeber», erklärte meine mutige Liebste.
    Doch der Unbekannte schlich weiter völlig ungestört durch das Palais. Er schien sich gut auszukennen: Um diese Zeit hielt sich das gesamte Personal in den unteren Geschossen zwischen Küche und Dienstbotenräumen auf, und in den Fluren des ersten und zweiten Stockwerks war kein Mensch zu sehen. Nachdem er blitzschnell einige Zimmer der zweiten Etage erforscht hatte, kehrte er in die untere Etage zurück.
    Dort, erklärte Cloridia, gab es einen Saal mit Blick auf die Himmelpfortgasse, wo einige Bücherregale aufgebaut werden sollten. «Es heißt, Eugen habe die Absicht, eine große Bibliothek anzulegen und wolle zu diesem Zwecke zahlreiche Druckwerke und Manuskripte erwerben.»
    Da die Tischler die großen Regalwände noch fertigstellen mussten, waren in dem Saal vorübergehend einige Holzkisten abgestellt worden, deren Inhalt außer Eugen und seinen Mitarbeitern aber niemand kannte. Geschwind war das vermummte Wesen in die zukünftige Bibliothek eingedrungen.
    Cloridia, die den Raum nicht betreten konnte (vor allem nicht wollte), begnügte sich damit, das Ohr an die Tür gepresst, den Eindringling zu belauschen. Zunächst hörte sie wirre Geräusche auf der linken Seite. Dann ein Klimpern von Münzen, als würde jemand sie mit vollen Händen greifen und in einen Sack fallen lassen; schließlich Schritte, die sich der Tür näherten.
    Das Wesen trat aus der künftigen Bibliothek des Prinzen Eugen und verschwand über die Flure des Palais, wahrscheinlich um über einen Dienstbotenausgang ins Freie zu gelangen.
    Kaum war sie allein, betrat Cloridia die Bibliothek. Auf den Regalen waren viele hölzerne Kisten unterschiedlicher Größe und Form abgestellt. Das Wesen konnte in mehreren von ihnen gewühlt haben, doch nur eine, deren Deckel schlecht geschlossen, vielleicht auch beschädigt war und die Sicht auf das helle Holz im Inneren freigab, erregte ihre Aufmerksamkeit.
    Als sie den Deckel hob, gewahrte Cloridia ein staubiges Sammelsurium von alten Gazetten, militärischen Landkarten und Briefentwürfen. Alles scheinbar keine Gegenstände von großem Wert, die Eugen wohl provisorisch hatte verstauen lassen, bis sie ihren Platz in der Bibliothek fanden. Obwohl sie nur wenig Zeit hatte, wühlte Cloridia sogar auf dem Grund der Kiste, bis sie mit den Fingern an kalte, metallische Gegenstände stieß, die den zuvor gehörten Klang von Münzen von sich gaben. Sie beugte sich über die Kiste und entdeckte einen kleinen Berg sonderbarer Metallstückchen in unregelmäßigen Formen.
    «Ich habe eins mitgenommen, hier schau.»

    Meine süße Gemahlin hatte lange gezögert, bevor sie den seltsamen Gegenstand entwendete, der ja schließlich dem Durchlauchtigsten Prinzen gehörte; doch da die eigenartigen Metallstückchen mit dem Aussehen von Münzen in großer Anzahl vorhanden waren, erschien es ihr unbedenklich, einen einzigen und überdies nur für gewisse Zeit verschwinden zu lassen. An Gelegenheiten, ihn zurückzuerstatten, würde es nicht mangeln; in der Zwischenzeit konnten wir herausbekommen, worum zum Teufel es sich handelte und weshalb das geheimnisvolle Wesen, wie es schien, eine stattliche Anzahl davon eingesackt hatte.
    Ich drehte ihn in der Hand hin und her.
    «Es hat sich mit der Zeit schwarz verfärbt, aber es ist zweifellos Silber», bemerkte ich.
    «Genau. Und wenn du dir den oberen Rand anschaust, scheint es an einen silbernen Teller zu erinnern.»
    In der Mitte befand sich eine runde Gravur, in der man ein Adelswappen erkannte: einen Löwenfuß und ein gestreiftes Feld. Darüber, neben einem stark gewölbten Rand, stand geschrieben:

    LANDAV 1702 IIII LIVRE

    In die vier Ecken waren die Lilien Frankreichs gestanzt.
    «Was zum Teufel ist das?», fragte ich verblüfft.
    «Oh, mich darfst du das nicht fragen. Ich weiß nur, dass es jener sonderbare Gegenstand ist, den Prinz Eugen während der Audienz nicht aus der Hand legte.»
    «Es scheint in jeder Hinsicht eine Münze zu sein, hier steht ‹4 livre›, und livres sind die französischen Lire. Nicht zufällig sieht man daneben die Lilien Frankreichs. Aber es scheint nicht von einer

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