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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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auf und nieder spazieren zu sehen! Was ein Student von Anfang seiner Jugend bis zum Ende seines Lebens ausstehen muss, ist nicht zu beschreiben, denn es machet viel Angst, Mühe und Arbeit, ja großes Kopfbrechen. Kurz zu sagen, ich nenne uns hochwerteste Herren, eine Krone contextam splendidissimis virtutibus , gemmis longe pretiosioribus !»
    «Mensch, sprich doch, wie dir der Schnabel gewachsen ist!», dämpfte ihn Opalinski.
    «Ich habe gesagt, dass wir eine mit den herrlichsten Tugenden und den allerkostbarsten Edelsteinen geschmückte Krone sind! Ist es dir jetzt recht, ignoranter Bock?», gab Hristo zurück. «Und damit bin ich am Ende.»
    Die Einleitungsrede des Bulgaren und seine Bemerkung zum Schluss lösten bei seinen Kameraden rauschenden Beifall aus, dem Cloridia und ich uns höflich anschlossen. «Hoffentlich hat er recht!», dachte ich insgeheim, als ich diese ausgelassene Bande musterte.
    Ich berichtete nun kurz von dem geheimnisvollen Satz « Soli soli soli ad pomum venimus aureum !», den der Aga während der Audienz bei Prinz Eugen hatte verlauten lassen, und stellte den Studenten eine angemessene Bezahlung in Aussicht. Auf Simonis’ Rat hin, der in alles eingeweiht war, verschwieg ich freilich, dass der Derwisch des Agas ein Komplott schmiedete, um jemandem den Kopf abzuschneiden. Mein Gehilfe meinte, wenn ich das enthüllte, würde kein Geld der Welt sie zurückhalten: Sie wären Hals über Kopf davongerannt. Auch unterschlug ich, dass der Durchlauchtigste Prinz das Papier mit jenem Satz, welches ihm vom Aga überreicht wurde, sogar in seinem persönlichen Diarium aufbewahrte – ich schämte mich, dass Cloridia in seinen privaten Papieren geschnüffelt hatte. Im Grunde verdiente der Savoyer weit Schlimmeres, hatte er sich doch in dem Brief, den Abbé Melani mir gezeigt, als Verräter entpuppt. Aber ein solch brisantes Geheimnis konnte ich einer ganzen Studentenschar natürlich nicht offenbaren.
    Diese jungen Menschen mit überschäumendem Temperament stammten alle aus Ländern östlich von Wien. Sie hatten unter dem Joch der Osmanen gelitten und hassten diese glühend.
    «Die Türken, das sind Bestien in Menschengestalt», flüsterte Populescu angewidert.
    «Pennal, mach ein Türkengesicht!», befahl Simonis.
    Der arme Penicek setzte einen idiotischen und wilden Gesichtsausdruck auf.
    «Nein, Pennal, das ist Jan Janitzki, der Graf Opalinski», lachte Hristo und mimte eine übertrieben gravitätische Haltung.
    «Lass dir von den Türken den Arsch lecken, Hristo Hristov Hadji-Tanjov», wehrte sich Opalinski, «die vergöttern ja Eunuchen wie dich.»
    Das Hin und Her von Hohn und Spott gegen die Hohe Pforte und die grobe Kultur ihrer Untertanen ging noch eine Weile so fort. Ich sah, wie Cloridias Gesicht sich verfinsterte. Simonis’ Kameraden konnten ja nicht ahnen, dass mein süßes Weib Kind einer türkischen Mutter war. Auf der Rückkehr von ihrer Arbeit in Eugens Palais hatte sie selbst mir von den Rohheiten der Osmanen erzählt. Aber niemand hört gern, wenn andere verächtlich über das eigene Volk sprechen.
    Um die Studenten abzulenken, berichtete ich ihnen von dem geheimnisvollen Kapuzenmann, der Cloridia drohend angestarrt hatte.
    «Das wird auch ein Türke gewesen sein!», grinste Dragomir. «Ihre Frauen richten sich so entsetzlich zu, dass Eure strahlende Schönheit ihn sicher geblendet hat.»
    Bei dem unerwarteten Kompliment hellte sich die Miene meiner Frau etwas auf.
    «Wie das? Man hört doch nur Fabelhaftes über ihre Harems …», wandte der hüftlahme Penicek ein, der sich in seinem Leben recht wenigen Frauen genähert haben dürfte.
    «Klar, wenn du dir anhörst, wie die Osmanen selbst prahlen, die sind nämlich Meister darin, Lügenmärchen über die vermeintlichen Mirabilien ihres Landes zu erzählen. Bist du denn je in einem Harem gewesen?»
    «Nun ja, noch nicht …»
    «Es ist nicht mehr als ein übler, finsterer Ort, verpestet und voller Rauch, wo es drunter und drüber geht. Stell dir geschwärzte Wände vor, von denen der Putz abblättert, hölzerne Decken voller Risse, mit Staub und Spinnweben bedeckt, verdreckte Sofas, zerfetzte Vorhänge, überall Kerzenwachs und Ölflecken.»
    Die türkischen Frauen, fuhr Dragomir fort, besitzen keine Spiegel, die sind rar in der Türkei. Also behängen sie sich aufs Geratewohl mit Flitterkram, dessen lächerliche Wirkung sie selbst nicht sehen können. Sie machen unmäßigen Gebrauch von Farbpulvern, indem sie sich zum Beispiel das

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