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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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medizinische Promotion praktizieren.»
    «Davon kann ich ein Lied singen», bestätigte meine Frau, die ihr Hebammengewerbe nur im Verborgenen ausüben konnte.
    «Auf jeden Fall ist unsere Chormeisterin hier gut untergekommen», sagte Orsini. «Als der Kaiser sie bat, sich für immer in der Hauptstadt niederzulassen, hat sie ihn gebeten, in ein Kloster gehen zu dürfen. Seine Majestät hat ihr die Himmelpforte angewiesen, welches von den vielen Klöstern dieser Stadt wahrlich das reichste und freizügigste ist.»
    «Freizügig?», wunderte sich Cloridia. «Leben die Nonnen denn nicht in Klausur?»
    «Theoretisch schon», lachte Orsini, «doch sie dürfen jeden weiblichen Besuch empfangen, und in ihren Zellen spielen sie Hombre, die Erlaubnis der Äbtissin vorausgesetzt, welche freilich sehr leicht zu erhalten ist. Fortwährend stopfen sie sich mit den Leckerbissen voll, die sie aus ihren Öfen holen, sonderlich mit aller Art Zuckerwerk.»
    «Jetzt, wo ich es bedenke», sagte ich, «habe auch ich bemerkt, dass die Nonnen nicht gerade streng von der Außenwelt abgeschirmt sind: Man kann ohne Schwierigkeiten den Kopf durch die Gitter stecken, ja, ein etwas schlankerer Mensch könnte sogar ganz hindurchschlüpfen.»
    «Ich habe mit eigenen Augen Besucher an das Gitter treten und den Nonnen die Hand küssen sehen! Und diese schämten sich beileibe nicht, im Gegenteil, sie streckten sogar ihre Hände ohne zu zögern durch die Stäbe!», fügte der junge Kastrat hinzu.
    «Es freut mich für die Chormeisterin, dass das Leben im Himmelpfortkonvent nicht allzu hart ist», bemerkte Cloridia.
    «Aber das ist gewiss nicht der Grund, warum der Kaiser sie in dieses Kloster gesteckt hat: Es geschah, damit Camilla die kleine Pállfy trösten kann …», schloss er in hintergründig heiterem Ton, zog einen Apfel aus seiner Tasche und biss hinein.
    Die junge Gräfin Pállfy! Seit heute Morgen wusste ich durch Atto, dass es sich um die Geliebte des Kaisers handelte, die ebenfalls in der Himmelpfortgasse wohnte, ganz in der Nähe des Klosters. Just jene Dame, deren Abbé Melani sich bedienen wollte, um Joseph den Brief zukommen zu lassen, welcher den Verrat des Prinzen Eugen enthüllte. Ich spitzte die Ohren und gab dem Musiker ein verschwörerisches Lächeln zurück, um ihn zum Weiterreden zu ermuntern.
    «… Und so hält die Kutsche Ihrer Kaiserlichen Majestät zu den ungewöhnlichsten Zeiten in der Himmelpfortgasse, lässt jemanden einsteigen und bringt ihn in die Hofburg», trällerte Orsini unbefangen, als spreche er von allseits bekannten Dingen. «Das Volk denkt, in der Kutsche sitzt Eugen von Savoyen, den Joseph einberuft, um wichtige Kriegsgeschäfte zu besprechen. Stattdessen sitzt aber seine Freundin Camilla darin, wenn der Kaiser ihr etwas anvertrauen möchte. Oder aber Marianna Pállfy, wenn er nicht reden, sondern … Ihr wisst schon.» Und wieder erschien ein breites Grinsen auf dem Gesicht des Kastraten.
    Ich wollte gerade in das Gelächter Orsinis einstimmen, als Cloridia mich durch einen Kniff in den Arm zurückhielt: Camilla kam genau auf uns zu. Obwohl ihr Gesicht müde und sorgenvoll aussah, begrüßte sie uns mit gewohnter Herzlichkeit.
    «Ich sehe, dass es Euch sogar zu dieser späten Stunde nicht an Appetit mangelt», sagte sie lächelnd zu Orsini, der seinen halbaufgegessenen Apfel in der Hand hielt.
    «Die Frucht vom Baum der Erkenntnis», gab Orsini scherzhaft zurück. «Ich habe endlich beschlossen, davon zu kosten.»
    «So dürft Ihr nicht sprechen», sagte Camilla, unvermittelt ernst geworden.
    «Das war nur ein Spaß: Ich habe sie schon oftmals gekostet», entgegnete Orsini, immer noch scherzend.
    «Cavalier Orsini, ich sagte, Ihr dürft diese Worte nicht gebrauchen!», erwiderte Camilla streng.
    Orsini und ich wechselten einen verlegenen Blick.
    «Es sind Sätze aus der Heiligen Schrift», fügte Camilla hinzu, die jetzt vielleicht gewahr wurde, dass sie ein wenig übertrieben hatte. «Ich bitte Euch, sie nicht unnütz im Munde zu führen.»
    «Ich konnte nicht vorhersehen, dass ich Euch damit beleidigen würde», rechtfertigte sich Orsini.
    «Ihr beleidigt nicht mich, sondern die Heilige Schrift. Und was nottut, ist die Vorsicht, nicht die Voraussicht. Letztere ist die göttliche Gabe der Weisen … doch entschuldigt mich bitte, wir müssen weiter proben», sagte sie und eilte mit gesenktem Kopfe zu ihrem Platz vor dem Orchester, ein deutliches Zeichen, dass die Pause beendet war.

    Zurück im Kloster

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