Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
Vom Netzwerk:
Reichsapfel oder über die Sphärenkugel, die entfernten Verwandten des Goldenen Apfels.
    «Der Reichsapfel», erläuterte Opalinski, der sehr gebildet war, «besteht, wie ihr alle wisst, aus der Erdkugel, die vom Kreuz Christi überragt wird. Der Erzengel Michael hält in der einen Hand den Apfel, mit der anderen aber erhebt er das Kreuz wie ein Schwert und stürzt Luzifer in die Hölle, welcher gegen den Allmächtigen aufbegehrt und sich mit Neid, Hochmut und Eitelkeit befleckt hat. Nicht zufällig bedeutet der Name ‹Michael› auf Hebräisch: Wer ist wie Gott? Darum ist der Reichsapfel zur Kaiserlichen Insignie geworden und wird den Kaisern des Heiligen Römischen Reiches bei der Krönung überreicht, als Wahrzeichen desjenigen, den Gott auserwählt hat, auf dass er die Christenheit regiere und vor dem Bösen beschütze. Der Reichsapfel stammt von der Sphärenkugel, einer Darstellung des Himmels, der die Erdkugel umgibt. Auch die Sphärenkugel war ein Sinnbild der Macht: Bei den Griechen und Römern wurde sie Jupiter, dem obersten aller Götter, zugeschrieben.»
    «Was redest du für einen Unsinn!», protestierte Populescu. «Von wegen Erdkugel! Jeder weiß doch, dass man in der Antike glaubte, die Erde sei eine Scheibe!»
    «Da haben wir’s. Natürlich musst du dich sofort wieder als der Ignorant zu erkennen geben, der du bist», tadelte ihn Koloman Szupán, ein enger Freund des Polen. «Das wird doch nur gesagt, damit wir klüger und weiter entwickelt dastehen als die Menschen früher. Und du bist voll drauf reingefallen.»
    «Richtig, Koloman», lobte Opalinski, «die Griechen und Römer wussten ganz genau, dass die Erde rund ist, man denke nur an Parmenides und den Mythos von Atlas, der die Erdkugel auf dem Rücken trägt. Und auch im Mittelalter wussten es alle. Hat der Heilige Augustinus etwa nicht gesagt, die Erde sei moles globosa , also eine Kugel? Außer Cosma Indicopleuste und Severian von Gabala erzählte nur noch Lattanzio überall herum, dass die Erde flach sei, doch zu seiner Zeit hat keiner ihm geglaubt. Später sind leider einige Kathederesel auf die Phantastereien Lattanzios gestoßen und haben sie als die vorherrschende Lehre des Mittelalters ausgegeben.»
    «Diese verdammte Geschichtsschreibung!» Der Ungar spuckte auf den Boden.
    «Wie auch immer», hub Populescu wieder an, «das mit dem Goldenen Apfel ist eine ausschließlich türkische Geschichte, und sie ist immer nur mündlich tradiert worden. Ich wollte erzählen, dass meine Brünette …»
    «Ja, ja, von Mund zu Mund …», höhnte Koloman. «Unser kluger Dragomir hat sich von seiner Brünetten oral belehren lassen!»
    «Bist du neidisch, weil dir nichts Besseres eingefallen ist, als die Fratres, diese warmen Brüder, zu fragen?», gab der Rumäne zurück.
    «Ach übrigens, sie lassen dich grüßen. Sie bewahren unvergessliche Erinnerungen an dich, haben sie mir gesagt.»
    «Reg dich nicht auf, Dragomir … bleib ganz ruhig!», knurrte Populescu, dem der Wortwechsel zwischen Koloman und Opalinski auf die Nerven ging.
    Schließlich erzählte Populescu uns, was ihm seine Brünette über die Geschichte des Goldenen Apfels erzählt hatte.
    «Wenn in Konstantinopel der neue Sultan gekrönt wird, wird er mit einem Geleitzug in ein Heiligtum vor der Stadt geführt. Es ist das Grab des Bannerträgers Mohammeds II., jenes Heerführers, der Konstantinopel erobert und die Stadt so den Christen entrissen hat. Hier wird dem neuen Herrscher der Heilige Säbel umgegürtet. Dann kehrt er nach Konstantinopel zurück und reitet zur Kaserne der Janitscharen, der erlesenen Leibgarde des Sultans, wo der Kommandant der 61. Kompanie, das ist einer der vier Bogenschützenverbände, ihm einen mit Scherbett gefüllten Pokal reicht. Der neue Sultan trinkt den gesamten Inhalt des Pokals, füllt ihn sodann mit Goldstückchen und gibt ihn zurück mit dem Schrei: Kizil Elmada görüsürüz !, was bedeutet: ‹Beim Goldenen Apfel sehen wir uns wieder!› Das ist eine Aufforderung, den christlichen Westen zu erobern, auf dessen Kirchen der Reichsapfel des Erzengels Michael thront, also die vom Kreuz Christi überragte, vergoldete Kugel, und die wichtigste von allen ist die goldene Kugel des Petersdoms. Darum hat Danilo auch von Rom gesprochen.»
    «Aber das wussten wir in groben Zügen schon», wandte ich ein. «Was wir gerne erfahren möchten, ist, wie es zu dem Namen ‹Goldener Apfel› gekommen ist. Andernfalls werden wir nie begreifen, aus welchem Grund die

Weitere Kostenlose Bücher