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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Goldenen Apfel an seinen Platz auf dem höchsten Punkt des Stephansdoms zu setzen und die rätselhafte Botschaft des Erzengels zu lesen.
    Simonis und ich wechselten einen Blick: Ugonios Erzählung stimmte mit den Berichten der Studenten überein. Auch Hristo, Populescu, Koloman und ihre Freunde hatten herausgefunden, dass der Goldene Apfel der Legende zufolge das Symbol (vielleicht sogar mehr als das) der Macht über den Okzident war. Sie hatten in Erfahrung gebracht, dass der geheimnisumwitterte Gegenstand auf Justinian zurückging; dass er in Konstantinopel zusammen mit Eyyub, dem Bannerträger Mohammeds des Propheten, begraben wurde; dass er nach Spanien geriet; und dass Süleyman während der ersten Belagerung Wiens einen neuen Apfel herstellen ließ. Und schließlich, dass Ferdinand I. das Kreuz Christi auf Süleymans Kugel hatte setzen lassen, was den Zorn des Sultans erregt hatte. Nicht zuletzt aber hatten wir selbst in Froschs Gazette gelesen, dass das Fliegende Schiff 1709 wirklich aus Portugal gekommen war, von einem Manne gesteuert, den keiner kannte, und dass es sich überdies ausgerechnet an der Turmspitze des Stephansdoms verfangen hatte. All diese Übereinstimmungen konnten kein Zufall sein.
    Es gab außerdem eine weitere überraschende Koinzidenz, von der nur ich wusste: Der unergründliche Überflieger, der im Wiennerischen Diarum als vermeintlicher brasilianischer Geistlicher vorgestellt wurde, stimmte in allen Eigenschaften mit jenem wunderlichen Wesen überein, dem ich vor elf Jahren in Rom, während meines zweiten Abenteuers mit Atto Melani, begegnet war: dem Geigenspieler Albicastro, der unablässig eine Melodie zu spielen pflegte, die Folia genannt wurde, ein Tanz aus Portugal.
    «Fassen wir zusammen», sagte ich. «Während in Portugal all diese seltsamen Dinge geschehen, wird der Aga von Prinz Eugen empfangen und sagt zu ihm soli soli soli ad pomum venimus aureum . Dein Ciezeber hingegen plant, den Kopf …»
    «Einen Momentlick.»
    Ugonio ließ sich den Satz wiederholen, den der türkische Botschafter vor Eugen von Savoyen gesprochen hatte.
    «Es ist dies eine signifikative, tendenziale und wahrsprechende Phraseologie.»
    «Wie bitte?», fragte Simonis.
    «Er sagt, die Botschaft der Türken sei völlig klar», übersetzte ich.
    Es gebe keinen Zweifel, bestätigte der Heiligenfledderer eifrig: Auch die Osmanen seien nach Wien gereist, um sich den Goldenen Apfel zurückzuholen. Nur zu diesem Zwecke waren sie «zum Goldenen Apfel gekommen», wie der lateinische Satz des Agas wörtlich besagte.
    «Mag sein», gab ich zu, «aber warum haben sie Eugen das ausdrücklich erklärt?»
    «Das missweiß ich», antwortete Ugonio achselzuckend.
    «Und wo ist der Goldene Apfel jetzt?»
    «Ich habe mit überfleißlicher Insistierung und sehr starrgeköpfter Pedanterei nach ihm gefahndspürt. Einige suggerieren, dass der Schiffsfährlenker, bevor er ins Pönitenziarium gestopft wurde, ihn im Fliegenden Schiff verfädelt hat. Bedauerligsterweise konnte ich ihn auch dort nicht harpunieren. Der Aufsehpasser und seine Katzenpanther verschnüffelten zu arg, aber das werd ich ihm noch verscheiten.»
    «Und wo ist der Apfel also?»
    «Um mehr Vater als Vatermörder zu sein, warte ich, bis ich ergründlicher fahndspüren kann. Und ich verhalssteife mich auch darauf, einen Diakonus vom Dom zum Sprechen zu bringen: Er ist appassionierter Sammler von sakranten Kleinlichkeiten. Morgen wird er mir im Tausch gegen ein corpus santus vielleicht den Satz des Erzangelus ausstoßen.»
    «Sehr gut, bravo. Schenk ihm den Griebs vom Apfel, den Adam aß», verspottete ihn Simonis.

    Meinem Gehilfen und mir blieb fast keine Zeit, uns über die Begegnung mit dem Heiligenfledderer auszutauschen. Wenige Minuten nachdem er gegangen war, klopfte die Chormeisterin persönlich an unsere Tür. Zunächst erkundigte sie sich nach den letzten Ereignissen, denn ihre Mitschwestern hatten ihr von dem Angriff auf Cloridia, der anschließenden Verfolgung und schließlich von dem Tumult auf der Straße erzählt. Ich erzählte ihr, was vorgefallen war, wobei ich jedoch meine Beziehung zu dem Heiligenfledderer herunterspielte. Ich sagte ihr, er sei ein kleiner Strauchdieb, den ich vor langer Zeit in Rom kennengelernt hätte, und ich hätte mich entschlossen, ihn zu begnadigen, weil er ein Landsmann sei. Ohnehin waren die Nachrichten, die Camilla selbst uns brachte, viel wichtiger:
    «Danken wir alle dem Herrn», erklärte sie mit einem Seufzer. «Dem

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