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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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der durch eine einfache Tür versperrt war. Der Stollen war ein Überbleibsel der unterirdischen Gänge, die im Notfall die Flucht aus dem Ort Ohne Namen gestatteten. Denn nach einer kurzen Wegstrecke kam man auf den umgebenden Feldern wieder heraus.
    Während Frosch erklärte, verständigten Simonis und ich uns mit einem Blick: Wir warteten besser einen geeigneteren Moment ab, um das Schiff zu durchsuchen.
    Also holten wir das Werkzeug aus dem Karren und schickten uns an, unser Tagwerk zu beginnen. Als Frosch auftauchte, entsann ich mich meines Vorsatzes und fragte ihn, ob wir wirklich die einzigen unter den Handwerkern seien, die bis heute mit den Restaurierungsarbeiten im Neugebäu begonnen hatten.
    «Eh kloa, dass Es da aanzigen sads; wer sonst mechat hackln do?»
    Ich entgegnete, die Kaiserliche Kammer bezahle diese Art Arbeiten fürstlich, und es gebe keinen Grund für Tischler, Maler, Maurer oder Dekorateure, sich zu weigern, dieses herrliche Monument mit ihrer Arbeit zu ehren.
    «Jo, ehren wollen dadatns es eh», sagte Frosch grinsend, «oba a Aungst hams hoid.»
    «Angst wovor? Vor den Löwen?», fragte ich verwundert.
    Frosch brach in ein lautes Gelächter aus und fragte mich, wer um alles in der Welt den armen alten Mustafa fürchten müsse, das einzige wilde Tier, welches gelegentlich außerhalb des Käfigs herumlaufen durfte. Die Zornesröte stieg mir ins Gesicht. Mir hatte Mustafa einen gehörigen Schrecken eingejagt, als ich ihm das erste Mal über den Weg gelaufen war: Seine Pranken und Reißzähne waren wahrhaftig nicht aus Federn und Stoff gemacht. Frosch wurde unversehens wieder ernst und sagte mit fast unhörbarer Stimme:
    «Naa, naa, gaunz aunders: Vu denen Gschpenstan hams a Aungst.»
    Jetzt war ich derjenige, der lächelte und eine ungläubige Miene machte. Frosch achtete jedoch nicht darauf und erklärte mir, dass sich im Neugebäu, wie die Leute flüsterten, seit Jahrzehnten absonderliche Wesen zeigten, die den Ort unwirtlich und unheimlich machten.
    «Olle wissns von denen Gschpenstan», fügte er hinzu, «oba si tuan hoid aso, ois wauns es ned wissertn. Wauns ana frogt, daun drahn sa se wegga.»
    Er ging fort, um etwas Hirse für die Vögel zu suchen. Aus den Käfigen in den alten Stallungen hörte man das fröhliche Gezwitscher der gefiederten Sänger.
    Nun erinnerte ich mich, dass keiner meiner Zunftbrüder unter den Rauchfangkehrern, als ich sie nach dem Ort Ohne Namen fragte, sich erboten hatte, mich dorthin zu begleiten, im Gegenteil, sie hatten vorgegeben, das alte Schloss nicht zu kennen, obwohl es doch allen Wienern ein Begriff war.
    Indessen machte mich eine andere Erinnerung aus fernerer Vergangenheit noch nachdenklicher. Vor elf Jahren, während meines letzten Abenteuers mit Abbé Melani in Rom, waren mir selbst in jener verlassenen Villa mit dem Aussehen eines Schiffs körperlose Wesen erschienen, deren Natur ich nie hatte aufklären können. Am heutigen Morgen noch hatte ich daran gedacht, als ich Ugonios Bericht vernahm: Gemahnte der mysteriöse, in mönchisches Schwarz gekleidete Steuermann des Fliegenden Schiffs aus Portugal, von dem ich in Froschs alter Gazette gelesen hatte, etwa nicht an jenen schwarzen Geiger mit Namen Albicastro, welcher über den Zinnen der Schiffsvilla zu fliegen schien und die portugiesische Weise der Folia spielte?
    So also kam aus dem Neugebäu, einem vergessenen Schloss, abermals ein unerwarteter Verweis auf die verlassene römische Villa des Schiffs. Doch was bedeutete diese Anspielung, dieses Geflecht aus Gleichklängen zwischen zwei Orten, zwei Erlebnissen, die Raum und Zeit so weit voneinander trennten?
    Unterdessen war Frosch zurückgekehrt. Ich konnte ihn natürlich nicht in all meine Überlegungen einweihen, darum begnügte ich mich damit, ihn zu fragen, ob er etwas mehr über die Gespenster des Ortes Ohne Namen wisse.
    Darauf erzählte er, der Sohn und Nachfolger Maximilians II., der unglückliche Kaiser Rudolf, sei ein fanatischer Okkultist gewesen. Stets von Astrologen und Alchemisten umgeben, habe er jahrelang ungeheure Summen ausgegeben, um seltene Substanzen, Retorten und Kolben zu erwerben und zauberkundige Ratgeber zu entlohnen, all das in dem Versuch (an dem Legionen von Alchemisten gescheitert waren), den berühmten, geheimnisvollen Stein der Weisen zu erschaffen.
    Ich fragte ihn, warum er Rudolf «unglücklich» genannt habe.
    «Olle wissns des!», rief er aus, «unglicklich wor a hoid, wäu da Vatta gschturbn is.»
    Vielleicht

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