Veritas
hätten.
Doch Maximilian war zu früh gestorben. Sein Juwel war unvollendet und darum namenlos geblieben, es war einfach «das neue Gebäude», also ein Ort Ohne Namen.
«Der Tod Maximilians, Herr Meister: Alles, was dann folgt, hat hierin seinen Ursprung.»
1576, im Todesjahr des Kaisers, ist das Neugebäu noch nicht fertig. Es fehlt vor allem die Innenausstattung des Hauptgebäudes: die lange Galerie im Erdgeschoss, die in den Plänen ausersehen ist, ein Antiquarium zu beherbergen, also eine Sammlung an Mirabilien, welche die ganze Welt in Staunen versetzen soll. Statuen wird sie enthalten, Waffenaufsätze, Gemälde, Gobelins, Münzen, Goldschmuck und kostbares Geschirr, und all das wird Jacopo Strada sammeln, der geniale italienische Kunsthändler, den Maximilian zu einem hohen Preis engagiert hat. Er ist bekannt, weil er den größten Palästen Münchens Glanz und Ruhm verlieh. Wenn dieser letzte Teil verwirklicht ist, wird Neugebäu bereit sein, der Welt vorgestellt zu werden.
Doch mit Ilsung und Hag im Nacken hat der Kaiser große Mühe, Geld aufzutreiben.
Im Jahr zuvor war Ungnad nach einem zweijährigen Aufenthalt aus Konstantinopel zurückgekehrt, und siehe da, schon bald begannen die Türken wieder, gegen die Reichsgrenzen anzustürmen. Unbedingt muss jetzt zu Regensburg der Reichstag einberufen werden, die Zusammenkunft aller Reichsfürsten. Am 1. Juni bricht Maximilian aus Wien auf, um der Versammlung vorzusitzen. Wie die erste Sitzung, die er vor zehn Jahren leitete, ist auch dieser Reichstag von entscheidender Bedeutung: Die Fürsten, ob Katholiken oder Lutheraner, müssen zur Einigung gelangen, sonst wird der Türke obsiegen.
Maximilian vertraut seinen Männern an, dass er um jeden Preis anwesend sein will, und wüsste er auch, dass er auf dieser Reise sein Leben lassen müsste. Prophetische Worte. Der kaiserliche Tross fährt die Donau hinab, das Wetter ist schlecht, die Stimmung des Kaisers ebenfalls. Er gesteht seinen Ratgebern, dass er fast nicht mehr aufgebrochen wäre, wenn er in diesen Tagen nicht die Kraft zum Reisen gefunden hätte. Er fühlt sich unwohl, mitunter schwach. Am 25. Juni eröffnet er die Arbeiten des Reichstags, nach den einleitenden Ansprachen ergreift er selbst das Wort. Er beeindruckt die Zuhörerschaft durch die Wortgewalt, mit welcher er die türkische Bedrohung beschreibt, die immer näher rückt und furchtbarer wird. Es muss eine Übereinkunft gefunden werden, wenn nicht die ganze Christenheit überrannt werden soll. Unmittelbar darauf beginnen die Verhandlungen zwischen den protestantischen und katholischen Fürsten sowie den päpstlichen Legaten. Es sind lange, tückische, ermüdende Debatten. Maximilian wirkt wieder sehr mitgenommen, die Luft von Regensburg tue ihm nicht gut, klagt er, liebend gerne wäre er in Wien.
Ende Juli wird er überraschend von Hämorrhoidenschmerzen heimgesucht. Der August verläuft ohne Probleme, doch in der Nacht vom 29. auf den 30. hat er eine heftige Attacke des Steinleidens, begleitet von beschleunigtem Herzschlag, welches Übel sich bis zum 5. September hinzieht. An diesem Tag stößt er unter starken Schmerzen einen Stein von der Größe eines Olivenkerns aus.
«Im Übrigen war der 5. September ein schicksalhaftes Datum für Maximilian, Herr Meister. Wenn Ihr Euch entsinnt, was ich Euch erzählt habe, war am nämlichen Tage vor zehn Jahren Süleyman gestorben, ohne dass Maximilian davon erfuhr. Und in den darauffolgenden Tagen ereignete sich die militärische Niederlage gegen die Türken, die sein Ansehen für immer ruinierte.»
Vom 5. September an verschlechtert sich Maximilians Zustand zusehends. Sein Puls bleibt beschleunigt, der Atem geht schwer, er ist appetitlos. Ein Anfall von Herzrasen währt neunzig Stunden in Folge. Allen außer den Medizi und Kaiserlichen Räten wird verboten, sich dem Haus des Bischofs von Regensburg zu nähern, dessen Gast Maximilian ist. Sogar das Läuten der Glocken ist untersagt. Der Kaiser steht in seinem fünfzigsten Lebensjahr, ein kritisches Alter, sagen die Ärzte. In den nächsten Tagen wird er Koliken, Atemnot und Magenschwäche haben. Er schläft schlecht, und das macht die Erholung schwierig.
Unterdessen wird sein alter Leibarzt gerufen, der Italiener Giulio Alessandrino, der sich aufgrund seines fortgeschrittenen Alters zurückgezogen hat und in Italien lebt. Gleichzeitig jedoch beginnen jene, die Maximilian pflegen, von einer recht sonderbaren Frau zu reden. Sie kommt aus Ulm und
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