Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
Vom Netzwerk:
heißt Magdalena Streicher.
    «Sie war eine Heilerin, meinten die einen. Andere aber hielten sie für eine Kurpfuscherin», sagte Simonis mit einem scharfen Unterton in der Stimme. «Anfangs war niemand dagegen, sie kommen zu lassen. Vielleicht weil die Idee von einer sehr einflussreichen Person stammte: Georg Ilsung.»
    «Ilsung?», fragte ich verblüfft, «Ilsung, der Verräter?»
    Ja, wiederholte Simonis, er war es gewesen, der die Anwerbung der Kurpfuscherin empfohlen hatte. Er hatte beteuert, diese Frau sei fähig, die schwersten Fälle zu lösen, jene, bei denen die offizielle Medizin habe kapitulieren müssen. Fürsten und Würdenträger des Hofes hatten eilfertig genickt: Ja, sie hätten schon Gutes über dieses Weib gehört, und einige behaupteten sogar, sie seien von ihr mit Erfolg behandelt worden.
    Die Arbeit in den Küchen war beendet. Simonis erhob sich, dabei fiel ihm der Spachtel aus der Hand und landete direkt auf meinem rechten Fuß. Mein Gehilfe entschuldigte sich, und während wir die Werkzeuge einsammelten und uns anschickten, die Räume des Schlosses zu besuchen, beobachtete ich, wie plump Simonis sich bewegte und in welch großem Gegensatz seine Ungeschicklichkeit zur Klarheit seiner Erzählungen und zu der Wendigkeit stand, mit der er sich nächtens bewegte.
    Es gab drei Simonis, dachte ich, als wir auf das Schloss zugingen. Der erste war der alltägliche Simonis: ein leicht narrischer Student mit dümmlichem Ausdruck, die Augen ein wenig verdreht, das Lächeln blöde und unbeholfen die Bewegungen. Dann kam der zweite Simonis: Der depperte Ausdruck war noch da, doch hinter den halbgeschlossenen Augenlidern strömte ein ertragreicher Gedankenfluss (wie bei den Erzählungen über Maximilian) mit vielen Windungen ungehindert dahin. Schließlich gab es den entschlossenen, mutigen, sogar grausamen Simonis, der den armen Pennal quälte und mich in Peniceks kleiner Kutsche, Todesgefahren trotzend, durch das nächtliche Wien führte. Freilich erschien der dümmliche Ausdruck auch auf dem Gesicht dieses letzten Simonis, des dritten. Ich selbst zitterte noch immer bei dem Gedanken an die Kugel, die mir im Prater in den Rücken geschossen und wie durch ein Wunder von Hristos Schachbrett abgefangen worden war. Welche Erinnerung aber hatte er an die entsetzlichen Gefahren, denen wir gemeinsam ausgesetzt gewesen waren, an Danilos letzte, geröchelte Worte, an den gefrorenen Leichnam des armen Hristo? Nichts davon war auf seinem Gesicht abzulesen.
    Ob es womöglich noch einen vierten Simonis gab, einen Simonis, der den Idioten spielte und wie ein Marionettenspieler nach Belieben an den Fäden der anderen drei zog, konnte ich noch nicht sagen. Einmal nur, seit ich ihn kannte, war mir, als hätte ich jenen vierten Simonis einen winzigen Augenblick lang gesehen: letzte Nacht, nachdem wir Populescu verabschiedet hatten. Doch da ich den Grund eines solchen Betragens nicht kannte, hatte ich meinen Verdacht fallengelassen.

    Aus den Küchenräumen, die außerhalb des Hauptgebäudes lagen, gingen wir nun zum Schloss hinüber. Schon als wir näher kamen, umfing uns die düstere Atmosphäre dieser Mauern, welche mit dem weißen Stein, den luftigen Gärten und den schlanken, hoch aufragenden Türmchen eigentümlich kontrastierte.
    Während wir den Hof im Osten durchquerten und links das maior domus hinter uns ließen, fuhr Simonis mit seiner Erzählung fort.
    Kaum in Regensburg angekommen, begibt sich Magdalena Streicher, die mysteriöse Heilerin, sofort zum Gespräch mit Maximilian, der jedoch ablehnt, sich von ihr behandeln zu lassen – er wartet noch immer auf seinen vertrauten italienischen Leibarzt, Giulio Alessandrino.
    Am 14. September gibt der Zustand des Kranken Anlass zur Hoffnung. Im Lauf der letzten Wochen wurden jedoch zu viele Fehler bei seiner Ernährung begangen: Er hat saure Früchte gegessen und eiskalten Wein getrunken. Wieder klagt er über Herzstörungen, und ein hartnäckiger Husten lässt ihm nie mehr als eine oder zwei Stunden Ruhe. Der Puls ist schwach und unregelmäßig.
    Maximilian gewährt keine Audienzen, hat aber genug Kraft zum Arbeiten: Jeden Tag beruft er den Kaiserlichen Geheimrat ein und erledigt die wichtigsten Regierungsgeschäfte. Am 26. September kommt endlich Giulio Alessandrino an, auf den alle ihre letzten Hoffnungen setzen. Doch kurz bevor der Italiener eintrifft, ist der Kurpfuscherin freie Hand gegeben worden. Sie hat begonnen, Maximilian ihre eigenen Heilmittel zu

Weitere Kostenlose Bücher