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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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verabreichen. Kaum angekommen, übernimmt Giulio Alessandrino sofort die Behandlung des Kranken, dann aber wird der Kaiser aus unerklärlichen Gründen wieder der Streicher anvertraut. Das Hin und Her zwischen den Heilkundigen führt zu verheerenden Ergebnissen. Seit die Kurpfuscherin am Werke war, Anfang Oktober, hat sich Maximilians Zustand so sehr verschlechtert, dass alle mit seinem Tode rechnen. Tritt man an sein Bett, kann man ihn herzzerreißende Sätze murmeln hören: «O Gott, niemand weiß, wie sehr ich leide. Ich flehe Dich an, o Herr, lass meine Stunde kommen.»
    Am Nachmittag des 6. Oktobers verliert er das Bewusstsein, einen Moment lang fürchten alle, er sei verschieden. Stattdessen kommt er wieder zu sich und erbricht eine große Menge Schleim. In den folgenden Stunden schläft er wider Erwarten gut und lange. Inzwischen ist aus Prag der Sohn Rudolf gerufen worden, er soll anstelle des Vaters der abschließenden Sitzung des Reichstags beiwohnen.
    Nach dem segensreichen Nachtschlaf vom 6 . auf den 7. Oktober ist Maximilian dank der Kuren von Giulio Alessandrino wiederhergestellt. Er empfängt den Botschafter des Großherzogs der Toskana und jenen der Republik Venedig, welche seine außerordentliche Besserung bezeugen: Er spricht während der ganzen Zeit mit lauter Stimme, nur das mühsame Atmen und das Herzklopfen beeinträchtigen ihn, der Husten ist selten.
    Die Genesung scheint stabil zu sein. Man plant, den Bettlägerigen am 20. Oktober nach Österreich zurückzubringen. Doch am 10. Oktober hat Maximilian einen Rückfall, und wieder lässt Ilsung die Kurpfuscherin einschreiten. Der Kaiser spürt Schmerzen links oben im Bauch; die Frau diagnostiziert eine Rippenfellentzündung und wendet eine größere Menge Remedia an, deren trauriges Resultat man schon bald sehen wird. Endlich hört man auch auf den ehemaligen Leibarzt Maximilians, Crato von Krafftheim, welcher letzthin vom Dienst suspendiert wurde, weil er alt und krank, sonderlich aber, weil er Protestant war. «Bis jetzt ward viel getan», zischt Crato und zeigt vor dem ganzen Hofstaat auf das Weib aus Ulm, «doch an Rechtem nichts.»
    Um ein Uhr nachts werden Rudolf und andere, hohe Würdenträger und Hofbeamte geholt. Mittlerweile steht fest, dass Maximilians Ende gekommen ist. Die Kaiserin, die sich in den letzten drei Tagen keine Minute vom Bett ihres Gatten entfernt hat, wird um fünf Uhr von der Herzogin von Bayern, Maximilians Schwester, die sie abgelöst hat, geweckt. Sie will zur Messe gehen, doch sie kehrt sich unter Tränen zu ihrem Gatten um, der unterdessen einen erneuten Herzanfall erlitten hat. Die Kaiserin bricht zusammen und wird bewusstlos davongetragen. Dem Medikus Crato wird erneut gestattet, Maximilian zu untersuchen, er fühlt seinen Puls, doch der Herrscher unterbricht ihn: «Crato, es gibt keinen Puls mehr.» Der alte Arzt tastet trotzdem weiter und findet einen sehr schwachen, unregelmäßigen Schlag. Als er geht, teilt er den Anwesenden mit: «Hier endet der menschliche Beistand. Wir können nur noch auf den göttlichen hoffen.» Unterdessen macht sich die Kurpfuscherin aus dem Staub. Man wird nie mehr von ihr hören.
    Ich unterbrach ihn: «Willst du damit sagen, die Streicher hat ihn in Ilsungs Auftrag vergiftet?»
    «Kein Gift. Um einen Kranken zu töten, genügt es, Fehler bei der Behandlung zu machen», antwortete Simonis lächelnd.
    Der Tod steht nunmehr unmittelbar bevor. Es bleibt eine wichtige Frage: Soll Maximilian der Mysteriöse, der sich niemals zwischen der Römischen Kirche und jener Luthers entschieden hatte, als Katholik oder als Protestant sterben?
    «Wie auch immer er sich entschieden hätte», erläuterte Simonis, «es wäre das Todesurteil für die Einheit der Christen gewesen, die er so lange ersehnt hatte.»
    Verwandte, Geistliche und Botschafter drängen sich um sein Bett. Sie quälen ihn bis zum letzten Augenblick, beschwören ihn, die katholischen Sakramente der Beichte und der Letzten Ölung zu empfangen. Er wird sich doch nicht gar zum Protestanten erklären wollen?
    Maximilian widersteht, zunehmend geschwächt, und verweigert jede Antwort. Als Letzter wird der Bischof von Neustadt an sein Bett geführt. Der Kirchenmann bedrängt ihn, ist erregt, hebt die Stimme. «Nicht so laut, ich höre sehr gut», erwidert der Sterbende. Der Bischof aber zetert weiter, zuletzt schreit er fast.
    «Nicht so laut», wiederholt Maximilian ein letztes Mal. Dann neigt er das Haupt und tut seinen letzten Atemzug.

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