Veritas
bestattet werden soll. Er selbst hatte Wien gewählt, doch man entscheidet sich für Prag.
«Warum denn das?», wunderte ich mich.
«Zweimal hatte Maximilian den großen Süleyman und mit ihm die Feinde Christi vor den heiligen Mauern der Stadt Wien abgewehrt. Aus Rache wird Maximilian selbst jetzt von den Reichsfürsten für immer aus seiner geliebten Heimat verbannt, der er die Schmähung durch Mohammed erspart hatte.»
«Sogar eine Rache post mortemi »
«Der Hass gewisser Leute kennt keine Grenzen.»
Ich erschauerte, während der Grieche seine Erzählung wieder aufnahm. Ein Trauerzug, angeführt von Rudolf, wird den Leichnam über viele hundert Meilen von Regensburg nach Prag bringen, durch die Länder des Reiches, die der beißende Frost fest im Griff hat. Bei jedem Halt wird die Bahre feierlich von den örtlichen Würdenträgern empfangen. Pompös und entsetzlich wird dieser Leichenzug sein. Die Kaiserliche Familie, die Höflinge, Pagen, Lakaien, Trompeter, Organisten, Trommler, Hofbeamten, Köche, Speisenträger, Kaiserlichen Räte und Kanzlisten, sogar die Kutscher und Schiffer, die den Tross transportieren – sie alle werden vorbeidefilieren mit aschfahlen, von weißen Halsbergen umrahmten Gesichtern, eingehüllt in dunkle Umhänge und schwarze Paramente. Die Kleidung haben sie sich eilig auf den Märkten von Augsburg und Nürnberg besorgt, von wo auch ein ungeheurer Vorrat an Kerzen, Besteck, Decken, Kaiserlichen Insignien, Fahnen, Standarten und Pferden nebst einem Nachschub an Priestern und Chorsängern geliefert wird.
Doch schon beim Aufbruch ist das Schicksal ihnen feindlich gesinnt: Der protestantische Stadtrat weigert sich, die Prozession beim Auszug aus der Stadt zu begleiten und ihr den Weg mit Laternen zu leuchten. Der Feind ist tot, soll er allein zum Teufel gehen.
Endlich setzt der Zug sich in Bewegung, die Bahre wird auf einen Kahn geladen und fährt die Donau hinab. Regen, Wind und Schnee machen die Straßen unpassierbar, erschweren das Gehen, reiben die Pferde auf. Die Prozession kommt nur langsam voran; von Stadt zu Stadt treten weniger Untertanen aus dem Haus, um dem Leichnam dieses allzu mysteriösen Kaisers die letzte Ehre zu erweisen.
Im harten deutschen Winter kommt der Zug immer wieder von der Straße ab, schleppt sich mühsam voran. Mitten im heulenden Sturm, in der Bahre, die kalt ist wie Stein, gezogen von Karren mit knarrenden Rädern, verächtlich aufgenommen von den Empfangskomitees, mal hierhin, mal dorthin verfrachtet wie ein herrenloses Bündel, ist Maximilian der Weise ein Körper ohne Liebe, ohne Obdach, ohne Frieden: Er ist jetzt der Tote Ohne Vaterland.
Januar 1577: Drei Monate hat es gedauert, bis der Konvoi in Linz in Österreich ankommt. Man hofft, Prag innerhalb der nächsten acht Tage zu erreichen. Doch wieder tobt ein Schneesturm, sodass die Straße nicht befahrbar ist. Man muss einen anderen Weg nehmen und in einsamen Kastellen übernachten, man verirrt sich, verliert die Orientierung.
Als der Trauerzug nach Böhmen gelangt, reichen die wenigen, die ihn willkommen heißen, nicht einmal mehr, um die Bahre zu tragen. Am 6. Februar ist man endlich in Prag, vier Monate nach Maximilians Tod. Doch das Unglück hat noch kein Ende. Das Castrum doloris , der in der Kirche des Heiligen Veit aufgebaute Katafalk, ist noch nicht fertiggestellt. Die Feier muss verschoben werden; viele kündigen an, dass sie nicht werden teilnehmen können, darunter sogar die beiden Erzherzöge des Hauses Habsburg.
Schließlich wird der Bestattungsritus gefeiert. Das Trauergefolge zieht durch die Straßen von Prag. Endlich eine kleine Menschenmenge: Man sieht den päpstlichen Legaten, den Botschafter Spaniens, den Gesandten des Königs von Frankreich, die ungarischen Magnaten, den Gesandten Ferdinands, des Erzherzogs von Tirol, Maximilians Bruder; dann die Fürsten des Reiches, Abgesandte aus Österreich, Schlesien und Mähren, Geistliche und Laien, außerdem viele Kavaliere, Bischöfe, Äbte und Jesuiten, die von überall her in großer Zahl gekommen sind.
Das Trauergerüst, das den Sarkophag trägt, ist aus knotigem Holz von der Farbe der Finsternis; karmesinrot auf vergoldetem Grund ist das Leichentuch, hell leuchten darauf sechs Kaiserliche Wappen. Hinter dem Sarg marschiert Rudolf mit blassem Gesicht. Er trägt einen schwarzen, bis zu den Füßen reichenden Umhang, seine Hand umklammert nervös die Schwertglocke. Ihm folgen die Brüder Matthias und Maximilian, beide ebenfalls ganz
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