Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
Vom Netzwerk:
Ich wollte sofort zu Cloridia und ihr berichten, was ich soeben gehört hatte. Sie musste ihre neue Arbeit bei dem Abbé aufgeben.

    Zu Hause angelangt, sah ich, dass meine Frau dem Kinde und mir zuvorgekommen war.
    «Wohlan denn!», grüßte uns Ollendorf, als ich die Haustür öffnete.
    Es war der für die Deutschstunde bestimmte Abend, und Cloridia hatte bereits begonnen.
    Kaum erblickte sie uns, erhellte ein breites Lächeln ihre Miene. Sie bat Ollendorf, die Lektion nur mit unserem Kleinen fortzusetzen, und führte mich eilig ins Nebenzimmer.
    «Wenn du wüsstest, was ich für Neuigkeiten habe!», rief sie strahlend aus, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    Ausführlich erzählte sie mir von ihrer neuen Arbeit in Abbé Melanis Diensten.
    «Stell dir vor, auf diese Weise können wir öfter zusammen sein!»
    Ich brachte nur ein gequältes Lächeln hervor. Plötzlich fehlte mir der Mut. Arme Cloridia: Jedes Mal, wenn Melani in meinem Leben aufgetaucht war, hatte ich sie seiner Umtriebe und Machenschaften wegen vernachlässigt. Jetzt, wo ihr Tagwerk endlich bei Atto gefragt war, musste ich sie bitten, sich von ihm fernzuhalten. Aber bei dem Gedanken, dass ich die Gegenwart des alten Spions ertragen musste, wenn ich bei meiner Frau sein wollte, wurde mir übel.
    «Schatz, leider ist das unmöglich», hub ich an und umarmte sie.
    «Was ist unmöglich?», fragte sie mit einem scharfen Unterton in der Stimme.
    Sie wusste noch nichts vom Ernst der Lage, und ich hatte ihr die Stimmung verdorben. Also holte ich weit aus. Ich erzählte ihr von dem Verdacht, den ich im Zusammenhang mit der Krankheit des Kaisers gegen Atto hegte, von den Anklagen, die ich ihm zornig entgegengeschleudert hatte, und seinem daraus folgenden Unwohlsein. Ich schloss mit dem Gespräch, das ich kurz zuvor miterlebt hatte.
    «Darum, Liebste, darfst du dich nicht mit Abbé Melani einlassen. Morgen wirst du ihm sagen, dass du nicht für ihn arbeiten kannst», sagte ich. «Du hättest mich fragen sollen, bevor du sein Angebot annahmst: Du wusstest doch, dass mich seine überraschende Ankunft in Wien misstrauisch gemacht hat.»
    «Ist das alles?», fragte sie verwundert. «Was du mir jetzt gesagt hast, scheint mir im Gegenteil ein ausgezeichneter Grund zu sein, nicht von seiner Seite zu weichen und ihn im Auge zu behalten.»
    «Aber wir könnten hineingezogen werden … Und außerdem:», fügte ich ein wenig ungeduldig hinzu, «Hast du mir in all diesen Jahren nicht immer vorgeworfen, dass ich mich von Atto in gefährliche Situationen bringen lasse? Jetzt, wo du an der Reihe bist, scheinst du solcherlei Gefahren gern in Kauf zu nehmen.»
    «Liebster, schon bevor wir hier nach Wien gezogen sind, hatte ich dir gesagt, dass der Abbé uns wieder ausnutzen würde, aber du hast nicht auf mich gehört. Was freilich in gewisser Weise richtig war: Endlich geht es uns gut, und um nichts in der Welt möchte ich nach Rom zurückkehren. Was jedoch die Manöver deines Abbés betrifft, so finde dich damit ab, dass wir ohnehin schon bis zum Hals mit drinstecken. Du solltest dich lieber freuen, dass ich endlich diejenige bin, die ihn überwacht: Du merkst ja nie etwas und tappst immer wieder in seine Fallen. Vertrau mir.»
    Sie hatte leider recht. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich auf den Scharfsinn meiner Gattin zu verlassen. Die Glückliche, sie war so mutig.
    «Hörst du, wie gelehrig unser Sohn ist?», sagte sie dann und legte das Ohr an die Tür.
    Der kleine Schüler buchstabierte tatsächlich mit großem Eifer: « Nach dem ich deß Morgens aufgestanden bin, so lege ich mich an, campele und wasche mich und thue mich Gott dem Hern befehlen, und nachdem ich mein Ordinarigebet verrichtet habe … »
    Meine Frau umarmte mich, und in der süßen ehelichen Liebkosung fühlte ich alle Anspannung weichen. Endlich öffnete ich ihr mein Herz, welches voll war wie ein überströmender Fluss. Ich erzählte ihr vom Flug an Bord des Fliegenden Schiffes sowie vom Goldenen Apfel, den es von Portugal nach Wien gebracht haben sollte, um ihn auf die Turmspitze des Stephansdoms zu setzen, und verbreitete mich in schauerlich-schönen Einzelheiten.
    Wie immer, wenn sie sich einem übernatürlichen Ereignis gegenübersah, reagierte Cloridia völlig unbefangen:
    «Warum versuchst du nicht, das Fliegende Schiff zu nutzen?»
    «Wie denn?»
    «Zum Beispiel, um die Türken auszuspionieren. Heute haben sie das Palais des Prinzen Eugen verlassen und sind in ihre Unterkunft im

Weitere Kostenlose Bücher