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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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nach Bologna zurück. Um zwei Uhr nachts kommt er in seiner Heimatstadt an, die linke Körperhälfte ist fast gelähmt, die Beine sind geschwollen, der rechte Arm hängt verletzt herab, ein Auge ist blutunterlaufen und tränt, die Haut ist von der Sonne verbrannt. Er hat seine Haare verloren, eine Perücke bedeckt den kahlen Schädel notdürftig. Doch kaum ist er wieder ein wenig bei Kräften, kehrt er nach Wien zu Kaiser Leopold zurück, um Bericht über das zu erstatten, was er über das türkische Heer erfahren hat. Man macht ihn zum Präsidenten der Kaiserlichen Kanonengießerei. Er vertieft sich in das Studium der Militärtechnik und baut die Befestigungsanlagen von Esztergom und Vicegrad, wahre Meisterwerke. Dann kehrt er in den Krieg zurück und nimmt an der Belagerung von Buda teil, wo sich seine rastlose militärische Erfindungsgabe vollends offenbart: Er zeichnet einen Plan der Stadt, entwickelt die Durchführung der Belagerung, sucht die Baumaterialien aus und entscheidet persönlich über die Ausstattung der Pioniere. Kaum ist Buda eingenommen, plündern seine Soldaten die Stadt; er aber, obwohl am Arm verletzt, läuft durch die rauchenden Trümmer auf der Suche nach der berühmten Bibliothek des Königs von Ungarn, von der er schon lange geträumt hat. Leider wird er nur wenige Bände finden.
    Er ist nicht einfach nur ein Mann des Krieges: Für Marsili geht es immer auch um Wissen und Moral. Den Krieg begreift er weniger als Übung in Grausamkeit denn als eine Gelegenheit, Beobachtungen anzustellen und Erkenntnisse zu erlangen. Er studiert den Lauf der Donau, enthüllt dessen bislang unbekannte Besonderheiten und macht daraus ein reiches wissenschaftliches Werk. Er entdeckt eine uralte, bis dahin unbeachtete Brücke, die Trajan erbauen ließ, und viele andere Überreste aus römischer Zeit. Immer, wenn die militärischen Operationen ihm ein wenig Zeit lassen, widmet er sich der Beobachtung der Natur: die Bewegung der Wellen, der Meeresboden, die Winde. Er entdeckt und verzeichnet unzählige Fischarten, Wasservögel und Mineralien. Seine Erkenntnisse fasst er in illustrierten Tafeln und Heften zusammen. Er weiß, dass die Kriegskunst sich fortwährend weiterentwickelt; wer mit ihr Schritt halten will, muss sich auf allen Gebieten weiterbilden: Geographie, Medizin, Baukunst, Politik, Diplomatie und Ökonomie. « Unter den Idioten », ereifert er sich, « herrscht die Meinung , die Soldaten seien Zerstörer der Schönen Künste , Feinde der Litteratur und schließlich Leute , so ein gänztlich barbarisches Geschäfft betreiben , da sie nähmlich nur zu brandtschatzen , zu plündern und zu töthen trachten , ohne sich zu bedenken , welche Kunst , welche Gelahrtheit vonnöthen sind , dergleichen Nützlichkeiten hervorzubringen , und welchen Nutzen die menschliche Republik daraus erhält . Viele , so einen Sohn oder Bruder haben , weicher den Studien nicht zugeneiget ist , sagen : Den schicken wir in den Krieg . Dies aber ist ein Unrecht an der edlen Würde des Krieges .»
    Als die Kaiserlichen Truppen 1699 den Friedensschluss von Karlowitz mit den Osmanen unterzeichnen, nimmt er an den Verhandlungen teil: Er ist der Einzige, der die neuen Grenzen, die im Friedensvertrag festgelegt werden sollen, detailliert zu benennen vermag. In den Verhandlungspausen besichtigt er die Gebiete in Kroatien und Ungarn, die für die Teilung mit den Türken ausersehen sind, ohne seine wissenschaftlichen Studien zu vernachlässigen: Er befiehlt seinen Soldaten, die lokalen Pilzarten mitsamt der Erde, in der sie wachsen, zu sammeln, später veröffentlicht er darüber eine Abhandlung.
    Bei der Rückkehr in Wien wird er mit dem Titel eines General-Wachtmeisters belohnt. Doch schon bricht ein neuer Krieg aus, der um die Thronfolge in Spanien, wo König Karl II. ohne Erben gestorben ist. Der erste Kriegsschauplatz, an den er geschickt wird, ist jene Belagerung von Landau, aus der er zusammen mit seinem Kaiser siegreich hervorgeht.

    An dieser Stelle musste ich meine Lektüre unterbrechen, denn jemand klopfte an meine Tür.

    «Was für eine edle Kreatur ein Student sei, ist zur Genüge erwiesen. Je edler aber selbiger ist, desto mehrern Verdrüsslichkeiten, Krankheiten und Gefahren ist er unterworfen!»
    Simonis und ich waren auf der Studentenfeier anlässlich der Wiederaufnahme des Lehrbetriebs. Das Klopfen meines Gesellen hatte mich aus meinen Gedanken über die Heldentaten des tapferen Grafen Luigi Ferdinando Marsili

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