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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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die Franzosen und Holländer lockten ihn mit dem Posten eines Generals, doch er weigerte sich, an der Seite der Feinde zu kämpfen, die so viele seiner Kameraden getötet hatten. Trotzdem ließ Ihre Allerchristlichste Majestät ihn nach Paris kommen und präsentierte ihn mit allen Ehren bei Hofe: ‹Graf Marsili, der dem österreichischen Hause so treu gedient hat und wegen der Sache in Breisach so zu Unrecht degradiert wurde; und wie groß dieses Unrecht war, weiß ich sehr gut.»›
    Meine Wangen hatten sich gerötet vor Zorn, als ich von dem widersinnigen, grausamen Schicksal Marsilis hörte. So also war seine Treue zum Reich belohnt worden?
    Abbé Melani erhob sich unterdessen mühsam von unserer notdürftigen Sitzbank. Seine Beine waren steif. Ich reichte ihm den Stock und half ihm aufzustehen.
    «Ihr jedoch, Signor Atto», wandte ich ein, während wir langsam weitergingen, «beschuldigt den Durchlauchtigsten Prinzen von Savoyen derselben niedrigen Affekte wie den Markgrafen von Baden. Doch außer einem gefälschten Brief habt Ihr bis jetzt keine Beweise anführen können. Die Münze aus Landau, die Eugen während der Audienz des Agas in der Hand hielt – nun, was zeigt die schon? Nichts. Ist es denn nicht möglich, dass sie den Prinzen an den schönsten Sieg seines Herrschers erinnert statt an seine eigene Schmähung? Alle wissen um die beispielhafte Treue, mit der Eugen dem Reich bisher gedient hat. Es mag ihn ja enttäuscht haben, dass er in Landau zweimal verdrängt wurde und dass Joseph I. sich weigerte, ihn nach Spanien zu schicken, doch gleichwohl fällt es überaus schwer, zu glauben, der Prinz von Savoyen habe sich aus Waffenneid oder aus Angst, seine Macht zu verlieren, gegen seinen Herrscher verschworen.»
    «Dir mangelt es nicht nur an historischem Wissen, du kennst auch die Art nicht, der Männer wie Eugen angehören.»
    «Jetzt reicht es», protestierte ich, «schon eben habt Ihr auf diese angeblich besondere Art angespielt. Warum sagt Ihr nicht endlich klar, was Ihr meint?»
    «Uff! Genau dieses Thema wollte ich vermeiden. Doch da höhere Interessen auf dem Spiel stehen, ist es nur recht und billig, wenn du es erfährst. Im Übrigen ist es ja nicht unsere Schuld, wenn Eugen ein … wie soll ich mich ausdrücken?», zögerte er.
    Ich wartete schweigend auf das Wort.
    «Ein Frau-Mann ist», sagte er endlich mit einem leisen Seufzer, als hätte er sich von einer Last befreit.

    «Ein Frau-Mann?», wiederholte ich bestürzt. «Wollt Ihr sagen, auch ihm schnitt man die … na ja …»
    «Nein! Wie kommst du denn darauf?», rief Atto aus. «Kurzum, er … liebt Männer.»
    Ungeduldig über das Missverständnis, hatte Abbé Melani endlich zur klaren Rede zurückgefunden. Er wollte mir sagen, dass der Durchlauchtigste Prinz Eugen von Savoyen ein Sodomit war.
    «Der Kriegsminister? Der tapferste General des Kaiserlichen Heeres?»
    «Hier in Österreich ist die Sache mehr oder weniger geheim geblieben», fuhr er fort, ohne meine Frage zu beantworten, «in Paris dagegen wissen es alle.»
    «Ihr lügt», versuchte ich mich zu wehren. «Eugen von Savoyen ist vielleicht ein ehrgeiziger Mensch, wie Ihr behauptet, und eifersüchtig auf seinen Kaiser, aber kein …»
    Dann zögerte ich meinerseits. Vor mir stand Atto Melani, der berühmte Kastrat. Ein armes, geschlechtsloses Wesen, durch grausame Entscheidung der Eltern seiner Männlichkeit beraubt. Nach den frühesten Jugendjahren, während deren er ein erfolgreicher Sänger gewesen war, hatte sicherlich auch er die Schande der Sodomie, den Kummer über Spott, Ächtung, Einsamkeit und Gram erfahren.
    Er schien meine Verlegenheit schon zu bemerken und begnadigte mich, indem er mit seiner Rede fortfuhr.
    Wie Atto schon beim ersten Mal angedeutet hatte, als er mir von Eugen gesprochen, hatte der Prinz eine schwierige Kindheit gehabt. Er war im Hôtel de Soissons aufgewachsen, der Pariser Residenz der väterlichen Familie, einem prächtigen Palast, wo es an Zerstreuung und Spielen aller Art nicht mangelte. Die Eltern ließen ihn jedoch von Gouvernanten großziehen, ohne ihm Aufmerksamkeit oder Liebe zu schenken. Die Mutter war eine berühmte Intrigantin, besessen von den höfischen Ränken und Machtspielen in Versailles, der Giftmischerei verdächtig und darum schließlich aus Frankreich verbannt. Sie hatte natürlich keine Zeit für den kleinen Eugen, das letzte ihrer vielen Kinder. Der Vater war zu charakterschwach, um die Fehler seiner Gattin zu beheben, und er

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