Veritas
Wörtern etwas Geheimes zu schreiben.»
Das bewirke man, erklärte das Buch, « wann man die Wörter/die da gelten sollen / mit gewissen Zeichen oder Häcklein bemercket ; aber in einer gewissen Zahl folgende Wörter/ als etwan das siebende oder achte gelten lässt/jedoch aber daß beyde , der eusserliche und verborgene Verstand sich in dem Context geschickt erweisen möge/damit bey des das Geheimnüß nicht gemercket/und doch auch verstanden werde .»
Wir prüften den Satz gründlich, doch leider fanden wir keinerlei Spur eines noch so winzigen Zeichens. Also versuchten wir es mit der anderen Methode. Aber es gab nur wenige und überdies nur kurze Wörter, eines, das «ad», hatte sogar nur zwei Buchstaben.
«Sssapva, ooodoeu, solaone …», versuchten wir es gemeinsam, der eine nahm alle ersten Buchstaben, der andere alle zweiten, und wieder einer reihte den ersten, zweiten und dritten aneinander, um dann von vorne zu beginnen.
Bald hallte Simonis’ Kammer von einem wirren Geraune wider, welches so lange andauerte, bis wir alle Möglichkeiten ausprobiert hatten. Leider vergebens.
Der Grieche blätterte weiter in seinem kuriosen Handbuch.
«Hört her, hier steht: ‹ Eine verborgene Schrifft zu machen/die man anders nicht lesen kann , es werde dann der Brief durchs Wasser gezogen ›, oder: ‹ Verborgene Schrifften , die durch Hülffe des Feuers müssen hervor gebracht werden .› Das ist freilich viel einfacher.»
«Wie bitte?», fuhr Cloridia auf, «ich muss dieses Blatt heil und ganz ins Palais zurückbringen!»
«Gib her», sagte ich zu Simonis, nahm ihm das Buch aus der Hand und begann zu lesen: ‹« Nimm Vitriol oder calchant , laß es im Wasser zerschmeltzen / stoß Gall-Aepffel zu Pulver u . mische sie drein/nach 24 Stunden seige es durch ein reines Tuch/und schreibe darmit/so wirst du /wann es trocken worden /nichts auf dem Papier sehen können . Willst du es aber lesen/so lege den Brief in reines Wasser/von Stund an werden sich weisse Buchstaben praesentiren .›»
Ward die unsichtbare Schrift hingegen mit dem Saft von Zwiebeln oder Knoblauch verfertigt, müsse derjenige, der sie lesen wolle, den Brief über das Feuer halten, und sogleich würden rötliche Buchstaben hervortreten.
Die anderen Methoden, welche der Doktor Abelius nannte, waren noch riskanter. Wurde nämlich zum Schreiben Zitronensaft benutzt, musste man zerriebenen Lithargyrium , auch Silberschaum genannt, in Essig kochen, um sodann das Blatt hineinzutauchen, was eine weiße Schrift hervorbringen würde. Wurde aber anstelle von Tinte zerstoßenes und in Wasser gelöstes Vitriol verwendet, musste derjenige, der zu lesen wünschte, ein Loth Gallen-Äpfel zerstäuben, darüber ein halbes Maß reines Wasser gießen, rühren, durch ein Tuch filtrieren und das Papier mit diesem Wasser benetzen, worauf eine schwarze Schrift sichtbar würde.
Eine andere Art, unsichtbare Schriften herzustellen und dieselben ans Licht zu bringen, lautete folgendermaßen: « Laß Vitriol in Branterweine zergehen /seige es durch ein Leinen-Tuch /und laß es stehen/biß es klar wird/schreib damit/so wird auf dem Papiere nichts zu sehen seyn . Nimm hernach Haber-Stroh/brenne es zu Asche /und laß dieselbe bey einem Mahler mit reinem Wasser auf dem Farben-Stein reiben/ daß es zu einer bequemen Farbe wird/damit schreib auf das vorige Papier / zwischen die eingetrucknete Zeilen einen ordentlichen Brieff in welchem nichts Heimliches enthalten /so wird niemand auf etwas verborgenes dencken . Willst du aber die verborgene Zeilen lesen/so koche Gall-Aepffel in Weine/netze einen Schwamm damit/und fahre gelinde über den Brieff/ biß durch solches Wischen die sichtlichen Buchstaben sicher verlieren /und die zuvor unsichtbahren an deren statt erscheinen .»
Kurzum, jene Flüssigkeit, welche die vermeintlich unsichtbare Schrift auf dem Papier des Agas hätte zum Vorschein bringen sollen, war in Wirklichkeit ein kompliziertes Gebräu aus Ingredienzien, die wir nur in einer Spezerei erhalten konnten. Doch das war noch nicht einmal die riskanteste Möglichkeit: Wenn die Schrift nämlich mit einer Mischung aus zerstoßenem Silberschaum, starkem Weinessig und Eiweiß geschrieben war, hätten wir, um sie lesen zu können, das Blatt des Agas sengen müssen, bis es schwarz wurde. Dann wären weiße Buchstaben hervorgekommen.
«Seid ihr verrückt geworden?», rief meine Gemahlin während der Lektüre ein ums andere Mal aus und schlug sich mit der Hand an die
Weitere Kostenlose Bücher