Veritas
stimmt, aber ich weiß nicht, ob es derselbe ist», antwortete Opalinski.
«Wie bitte?», rief Penicek entsetzt aus. «Ist Koloman denn verrückt geworden?»
«Warum?», fragten wir alle aus einem Mund.
«Habt ihr nicht gehört, dass man heute Morgen einen Augustinermönch arretiert hat? Er ist Italiener und wird offensichtlich mehrerer Vergewaltigungen und Morde beschuldigt.»
Eiseskälte breitete sich zwischen uns aus.
Unser hüftlahmer Kutscher schien hingegen in fieberhafter Aufregung:
«Meine Güte, ausgerechnet einem italienischen Mönch musste sich Koloman anvertrauen? Ich habe ihn für vorsichtiger gehalten!», rief er kopfschüttelnd aus, während er uns auf dem Kutschbock seiner Kalesche aus den Stadtmauern heraus in Richtung Ottakring lenkte.
«Du gscherter Hornochse von einem Prager Pennal!», fuhr Simonis auf. «Wie kannst du es wagen? Bitte um Verzeihung und halt den Mund!»
Vielleicht wegen des Lobes, das er zuvor von seinem Schoristen erhalten, vielleicht auch, weil die Angst ihn kühner machte – Penicek schien jedenfalls keinerlei Absicht zu haben, den Mund zu halten. Im Gegenteil, er hatte alles unterwürfige, zerknirschte Gebaren abgelegt und fuhr nun hitzig fort:
«Weiß Koloman denn nicht, dass dieses Mönchsgesindel das ruchloseste und gefährlichste Verbrecherpack überhaupt ist? Und die Italiener erst recht!»
«Warum denn, bitte sehr?», fragte ich pikiert, da dieser elende, hinkende Pennal, Diener und Gespött seiner Kameraden, sich erdreistete, in derart impertinentem Ton von meinen Landsleuten zu sprechen.
«Du ekelhafter, böhmischer Abschaum!», ereiferte sich Simonis, sprang in der Kalesche auf und schlug dem Kutscher in den Nacken. «Was ist denn in dich gefahren? Bitte den Herrn Meister um Vergebung!»
«Lass gut sein», sagte ich zu meinem Gesellen. «Du aber», wandte ich mich schroff an den Pennal, denn auch ich hatte mich inzwischen daran gewöhnt, ihn grob zu behandeln. «Ich habe dich etwas gefragt! Was ist bei den italienischen Mönchen nicht in Ordnung?»
In der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, hub Penicek zögerlich an, von der Standpauke seines Schoristen eingeschüchtert, sei der große Martin Luther gekommen, um unter den weißgetünchten Steinen der Klöster Schlangennester zu entdecken. Nun komme ans Licht, was zuvor im Verborgenen getan ward. Viele Mönche legten die Kutte ab, nähmen sich eine Frau und wechselten zu den Lutheranern über. Die Zahl der katholischen Fratres nehme in besorgniserregender Weise ab.
«Wie sprichst du denn, Pennal?», empörte sich Opalinski. «Nimmst du etwa Partei für die Häresie Luthers?»
«Was kannst du von jemandem aus Prag schon anderes erwarten?», höhnte Simonis.
«Sprich weiter, Penicek», befahl ich.
«Das alte Kloster der Augustiner-Eremiten von Wien, vordem neben der Kaiserlichen Residenz gelegen, stand kurz vor der Schließung, denn es war leer und verwahrlost. Der Orden musste seine Mitbrüder in anderen Ländern um Hilfe bitten. Damals kam die Verstärkung aus den Ordenshäusern in Italien, welche vom Wind der Reformation nicht erfasst worden waren.»
«Vom gotteslästerlichen Afterwind», präzisierte Opalinski verächtlich.
Leider dünkten sich die italienischen Patres (sonderlich jene von höheren Graden), wohl wegen ihrer größeren Nähe zu Rom, in gewisser Weise überlegen. Sie verachteten und misshandelten ihre Wiener Mitbrüder, ja, sie schmiedeten überdies nicht näher bezeichnete diplomatische Komplotte mit den ausländischen Botschaftern in der Kaiserstadt.
«Willst du damit sagen, dass die italienischen Fratres sich als Spione betätigten?», fragte ich zweifelnd.
«Die Kaiserlichen Behörden waren sich dessen absolut sicher.»
Bei einigen Visitationen wurden im Kreuzgang des Klosters verdächtige Personen jeder Art entdeckt: Banditen, Räuber und dergleichen Gesindel. Die italienischen Ordensmänner wurden allesamt beschuldigt, die Nähe zur Residenz und die Verbindung zum Kaiserhof ausgenutzt zu haben, um im Dienst Frankreichs oder anderer ausländischer Mächte zu spionieren, und so ordnete man zuletzt ihre Vertreibung an und verbot ihnen, jemals zurückzukehren. Auch wurde verfügt, dass in Zukunft alle Ordensvorsteher deutschsprachig sein müssten.
Die Deutschen waren zwar ehrlicher, hatten aber andere Mängel. Sie waren ein wenig kalt im Glauben, vorzüglich aber waren sie unfähig: Es gebrach ihnen an jenem warmen, menschlichen Odem, welcher, wenngleich oft in verderbter Form,
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