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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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ihren Mitbrüdern aus Italien eignete. Diese Fratres aus dem Süden wussten die Seelen zu laben und sich das Volk geneigt zu halten, waren aber rechte Spitzbuben und bei Bedarf geschickt und listig. Unterdessen drängten Rom und die Generaloberen des Augustinerordens, denn sie wollten vor Ort Männer ihres Vertrauens haben, und am Ende konnten sie sich durchsetzen. Die Italiener wurden wieder aufgenommen, dann erneut verjagt, zurückgeholt, wieder verjagt und so weiter, während das Volk verblüfft zuschaute und sich fragte, ob das Problem bei der Unehrlichkeit der Italiener oder den unklaren Vorstellungen der Deutschen lag.
    Derweil schritt die katholische Gegenreformation voran, deren Prinzipien jedoch von Rom diktiert wurden. Die Generaloberen des Ordens schickten weitere vertrauenswürdige Landsleute nach Wien. Der Hof konnte sich nicht weigern, denn inzwischen war der Prior des Augustinerklosters, der kein Italiener war, unmittelbar vor einer Visitation nach Prag geflohen, wo man ihn verhaftet hatte. Er wurde schwerer Unterschlagungen beschuldigt, welche den Konvent bis zum Hals in Schulden gestürzt hatten und sogar Kaiserlichen Edikten zuwiderliefen, wonach es Ordensleuten verboten war, die Güter des Klosters zu veräußern, sich als Weinhändler zu betätigen, landwirtschaftliche Geschäfte zu machen et coetera et coetera .
    Kurzum, in die heiligen Mauern wollte kein Frieden einkehren. Kaum waren die Italiener zurück, brachen schon wieder Streit und Händel aus. Alle Beziehungen mit dem Kaiserhof zerschellten an einer Mauer aus beidseitiger Verdächtigung und Verachtung. Die Mönche stritten weiterhin mit den weltlichen Autoritäten; die Ordensoberen stritten mit ihren Untergebenen und untereinander: Kaufte einer einen Weinberg oder ein Stück Land für das Kloster, verkaufte sein Nachfolger es wieder, und dann beschuldigten sie sich gegenseitig, das Geld des Ordens zum Fenster hinauszuwerfen. Diese Fälle endeten gelegentlich auf dem Tisch der weltlichen Gerichtsbarkeit, welche dann nicht nur die beiden streitenden Parteien, sondern überhaupt alle Ordensgeistlichen beschuldigte.
    Da also niemand eine reine Weste hatte, konnten die Italiener sich leicht als Herren aufspielen. Feindschaft, Zwist, üble Nachrede, Neid und Verleumdung ließen den Hass zwischen teutonischen und italienischen Fratres immer wieder aufflammen, und wenn ein neuer Prior versuchte, Frieden zu stiften, sah er sich von den Deutschen beschimpft und in die Intrigen der Italiener verwickelt.
    «Zu guter Letzt kamen die Jesuiten ins Spiel, die durch eine Bulle von Papst Urban VIII. die Erlaubnis erhielten, sämtliche Augustiner-Eremiten, Italiener und Nicht-Italiener, ohne Vorwarnung vor die Stadtmauern zu setzen, in die Vorstadt Landstraße, wo sie sich noch heute befinden. Sie ersetzten sie durch die aus Prag ‹importierten› Barfüßigen Augustiner, einem weitaus tugendhafteren Orden.»
    «Der Orden von Pater Abraham a Sancta Clara», sagte ich.
    «Ebender. Und soweit ich weiß, ist kein einziger Italiener darunter», kicherte Penicek.
    «Und was hast du nun mit deiner Tirade bewiesen?», brummte Simonis. «Dass die Fratres aus Prag anständiger sind?»
    «Oder dass die Jesuiten wie üblich die Schlausten sind?», setzte der Pole hinzu. «Außerdem ist die Geschichte von der Vertreibung der Augustiner so alt wie Großvaters Bart.»
    «Aber die Nachricht von dem Augustiner, der die Morde …»
    «War das ein Eremiten-Augustiner oder ein Barfüßiger Augustiner?», fragte mein Geselle wie aus der Pistole geschossen.
    «Hm … ein Eremit.»
    «Der Pater, mit dem Koloman befreundet ist, ist aber ein Barfüßiger Augustiner», erwiderte Simonis.
    «Dann gibt es ja keinen Grund zur Sorge», schloss ich mit einem erleichterten Seufzer, während die Kalesche vor dem Tor eines Weinbauern haltmachte.

    Wir waren beim Haimböck angekommen. Es handelte sich um einen jener Wiener Buschenschänke, welche von den Winzern und ihren Familien betrieben werden und wo man den Heurigen trinkt, den jungen, neuen Wein, der im Weinberg hinter der Wirtschaft wächst. Der Buschenschank, auch Straußwirtschaft genannt, deutet schon mit seinem Namen auf den Ausschank im Freien hin, und nicht zufällig hat dieses Lokal große Ähnlichkeit mit einer römischen Osteria vor den Stadttoren, die seit der Antike Schauplatz fröhlicher Zechereien und Fressgelage im Grün der Weinberge ist. Zum Zeichen, dass der Ausschank geöffnet ist, steckt der Weinbauer sowohl hier

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