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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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fragte ich.
    «Hm, vielleicht …», stammelte Penicek, «vielleicht war das eine Form, ihre Aufrichtigkeit als Feinde zu unterstreichen, geradeso wie Dayi Çerkes, als er am helllichten Tag nur mit seinem Krummsäbel bewaffnet in die Stadt ritt.»
    «Das war es also, was Hadji-Tanjov entdeckt hatte!», entsann ich mich. «Er hatte gesagt, die Bedeutung des Satzes liege in den Worten soli soli soli . Jetzt ist es klar: Er hatte die Geschichte des Tscherkessen recherchiert. Also birgt auch der Satz des Agas keine Geheimnisse mehr; genauso wie der Kopf des Kara Mustafa und die Rituale des Derwischs», rief ich enttäuscht aus.
    «Jemand hat aber Danilo, Hristo und Dragomir und vielleicht auch Koloman umgebracht», entgegnete Simonis.
    «Und auf den Zettel in seinem Schachbrett hatte Hristo geschrieben: ‹Der König ist erledigt› – was mag er …?»
    «Da wären wir», unterbrach Simonis mich mit einem lauten Ausruf, bei dem Penicek zusammenzuckte.
    Wir waren am höchsten Punkt des Hügels angekommen. Ich machte Anstalten, aus der Kutsche zu steigen, doch der Grieche hielt mich zurück.
    «Jetzt fährst du hier im Kreis herum», befahl er Penicek, dessen Hals er weiterhin von hinten umklammert hielt, während die andere Hand noch immer in dem Sack steckte.
    «Was geht dir gerade durch den Kopf?», fragte ich ihn neugierig.
    «Ich frage mich, wie der Aga sicher sein konnte, dass Prinz Eugen den Sinn des Satzes verstehen würde.»
    «Wahrhaftig», sagte ich und bemerkte, dass mein Gehilfe sich gerade in einer glücklichen Phase geistiger Wachheit befand.
    «Äh, oh …», zögerte Penicek, aus schreckgeweiteten Augen den Blick auf Simonis’ Quersack gerichtet. Dann hellte seine Miene sich auf: «Ganz einfach: Das Palais Zum Haidenschuss befindet sich im Besitz des Durchlauchtigsten Prinzen!»
    «Wir sollten dort hinfahren», schlug ich vor, «vielleicht können die Bewohner uns mehr über die Geschichte vom Tscherkessen erzählen.»
    «Ich fürchte nein», antwortete der Prager Student, während er starr auf den waldigen Hügel blickte, den im Kreis zu durchpflügen Simonis ihm befohlen hatte.
    Was er uns bis jetzt erzählt habe, erklärte Penicek, sei die türkische Version zur Statuette in der Fassade. Die Wiener Version nehme sich jedoch ganz anders aus. Bekanntlich reichten die Stollen, welche die Türken damals mit ihren Minen gruben, bis unter die Stadtmauern. Um den unterirdischen Vormarsch der Türken rechtzeitig zu gewahren, gab es in den Wiener Kellern allerlei Warnsysteme, wie zum Beispiel einen mit Wasser gefüllten Eimer (explodierten die Minen, erzitterte das Wasser, auch wenn sie weit entfernt waren) oder ein Trommelfell, darauf Erbsen oder Würfel lagen, welche bei den Explosionen geräuschvoll zu hüpfen begannen. Zur Bewachung dieser Warnsysteme war natürlich Tag und Nacht ein Bursche abgestellt. Bei der ersten Belagerung im Jahre 1529 wurde das betreffende Haus von einem Bäcker bewohnt. Es hatte zwei Kellergeschosse. Ein Geselle, der in dem tieferen Keller arbeitete, ein gewisser Josef Schulz, geboren in der Stadt Bolkenhain in Schlesien, wurde dank der Würfel auf die türkischen Minen aufmerksam. Sogleich erstattete er Meldung beim Kommandanten der Stadt und rettete Wien so vor dem Untergang. Kaiser Ferdinand gewährte der Bäckerzunft darob das Privileg, zur Erinnerung an dieses Ereignis alljährlich an Ostern eine Prozession mit wehenden Fahnen und türkischer Musik zu veranstalten. Später wurde aus dem Keller eine Weinschänke, und sie erhielt den Namen Türkenkeller. Die Statuette ist das Sinnbild der Türken, die durch die Geistesgegenwart des Burschen aufgehalten wurden.
    «O ja, die Prozession der Bäcker habe ich vor einer Woche selbst gesehen. Auf diese Episode also geht sie zurück», sagte ich.
    «Wenn die Bewohner des Hauses die türkische Version der Geschichte nicht kennen, nehme ich an, dass du sie nicht von ihnen erfahren hast», fuhr Simonis seinen Pennal an. «Woher hast du sie also? Und warum hast du so lange gebraucht, um zu uns in die Himmelpforte zurückzukehren?»
    Der Pennal wagte ein schüchternes Lächeln.
    «Ich kannte die Legende bereits, doch erst heute, als mein Blick auf diese verdammte Statuette fiel, ist mir alles klar geworden. Also bin ich abgestiegen, um die Bewohner des Hauses auszufragen, darum habe ich Zeit verloren. Aber sie wussten auch nicht mehr, als ich Euch eben erzählt habe. Hätte ich nur früher daran gedacht! Um diese Zeit hätten wir die

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