Veritas
ehemalige Ehrenkammerherr von Kardinal Collonitz hatte Gaetano Orsini gebeten, mich mit der Reparatur seines Rauchfangs zu beauftragen. Ich wartete auf Ugonio und konnte nicht fortgehen, doch Simonis würde es mit seinem vagen Gebaren sehr gut alleine fertigbringen, Erkundigungen über den jungen Kastraten einzuholen.
Nachdem ich Geselle und Lehrjungen mit den entsprechenden Instruktionen entlassen hatte, wollte ich es mir gerade im Sessel bequem machen, als mir das Handbuch des Doktor Abelius über die Studentenkünste aus dem Gürtel rutschte.
Ich hob es auf, und mein Blick fiel auf die Seite, die sich im Fallen geöffnet hatte. Es war nicht der Teil, welchen wir für die Behandlung des Papiers des Agas konsultiert hatten. Die Seite war dicht mit Randbemerkungen versehen; ich erkannte Simonis’ unentzifferbare Handschrift. Leider waren die Notizen überdies in Current geschrieben, jenem kursiven Deutsch, das den Augen eines Römers mehr oder weniger wie Arabisch erscheinen muss. Neugierig geworden, warf ich einen Blick auf die Passagen, denen mein Gehilfe offenbar die größte Aufmerksamkeit gewidmet hatte:
Wilt du sehen /ob einer an einer Wunden wieder gesund möge werden , so nimm Rauten-Safft/stecke ihm solchen in die Nase/niest er davon/so kömmt er wieder auf/wo nicht/so stirbet er .
Genau das hatte Simonis bei Danilo ausprobiert, als wir ihn sterbend auf den Bastionen gefunden hatten. Also hatte mein Geselle diesen Kniff dem Handbuch des Doktor Abelius entnommen. Sodann wurde eine weitere Technik vorgestellt, mit der man erkennen konnte, ob ein Verletzter dem Tode geweiht war oder nicht. Es folgten Mittel, die einen schnell trunken machten ohne Schaden, und gleich dabei weitere Remedia, einen Trunkenen alsbald wieder nüchtern zu machen, wie zum Beispiel, ihm viel Essig zu geben oder ihm ein nasses Tuch auf die Scham zu legen. Auch das hatte ich schon von Simonis gehört, ebenso die Mittel gegen das Einschlafen: Man solle immer eine Fledermaus bei sich tragen, so wie ich es bei Simonis gesehen hatte in der Nacht der Deposition und jener, da wir auf der Suche nach Populescu sämtliche Bocciabahnen Wiens abgegrast hatten. Als ich auf die Methoden stieß, die Jungfräulichkeit eines Mädchens zu überprüfen, musste ich wieder an den armen Dragomir denken … Ich las dort weiter, wo der Grieche sich besonders viele Notizen gemacht hatte:
Daß einer drey Tage lang schläffet . Nimm Hasen-Gall/gieb sie einem in Wein zu trincken/so entschläfft er bald/und so du wilt/daß er wieder erwache/so geuß ihm Eßig in den Mund . Oder nimm Milch von einer Sauen/und lege sie auff den Schlaff . Oder nimm die Gall von einem Aal/vermische sie in einem Tranck/giebs einem zu trincken/so schläfft er in die 36 . Stunden/gieb ihm Rosen-Wasser zu trincken/so wacht er wieder auff .
Daß ein Thier gerne bey dir bleibe . Nimm ein Stücklein Brods/und legs unter die Achseln : daß es an dem Orte wohl beschwitzet werde/und giebs dem Hunde zu essen .
Daß ein Thier mit dir lauffe/wo du hin wilt : gieb dem Hunde ein Katzen-Hertz zu fressen /so folgt er dir/wo du hin wilt .
Dieser Doktor Abelius hatte wahrhaftig das Evangelium des Studenten geschrieben!
Daß ein Degen /Schwerd/oder Messer/das andere schneidet : Nimm das edle Kraut Verbena , Wull-Kraut und Urin /laß es miteinander wohl sieden/in solches stosse das Eisen/lasse es eine gute Weile darinnen liegen/so wirst du die Kunst bald wahr befinden .
Ein paar Pistolen zuzurichten /die andern gantz gleich sind/von Lauff , Schifftung und Gesitter /daß man mit solchen viel weiter schießen kann /mit gleicher Ladung von gleichem Pulver und Kugeln : Lasse deine Pistolen hinten am Stoß dicker und stärcker von Eisen machen /als die anderen /im übrigen seynd sie mit denselbigen in allen gleich/an die Schwantz-Schrauben lasse ein eisernes Drey-Füßlein anschmieden /so sich in den Lauff schicke /und ein Röhrlein in centro habe/wodurch das Pulver biß an das Zündloch fallen möge/lade die Pistolen mit gleicher Ladung/so wirst du gewißlich weiter und schärffer schießen/die Ursach kömt daher /weil der Schuß des Pulvers in centro angezündet wird/und also mehr Pulver in Brand kommet .
Die folgenden Kapitelchen waren noch üppiger mit Anmerkungen und Kommentaren in Simonis’ Handschrift versehen:
Camisoll/durch welches man weder schiessen/hauen noch stechen kan : Nimm Hauß-Blasen 2 . Pfund ganz klein geschnitten/und über Nacht in starcken Brantewein gelegt ; hernach
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