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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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sinnlose Geschichte vom Goldenen Apfel schon längst fallengelassen!»
    Penicek brach in Schluchzen aus, und die Anspannung und Angst brachen sich endlich Bahn. Er weinte hemmungslos und weinte noch weiter, als Simonis ihm befahl, die Kalesche zum Himmelpfortkloster zu lenken.
    Auf dem Rückweg fixierte mein Geselle ihn mit den gläsernen Eulenaugen des Tölpels, in denen ich, wie üblich, nicht das Geringste lesen konnte.

17. Stunde, Ende des Arbeitstages: Werkstätten und Kanzleien schließen. Handwerker, Sekretäre, Sprachlehrer, Priester, Handelsdiener, Lakaien und Kutscher speisen zu Abend (während man in Rom gerade die nachmittägliche Zwischenmahlzeit einnimmt).
    Erschöpft und ausgelaugt war ich zum verabredeten Treffen mit Ugonio in der Himmelpforte gekommen.
    Der Kleine spielte im Kreuzgang; ich schickte ihn mit Simonis zum Nachtmahl in die Gastwirtschaft. Cloridia fand ich in den Gemächern Abbé Melanis.
    «Nun?» Bebend vor Erwartung öffnete sie mir, als ich an Attos Tür geklopft hatte.
    Sie wollte wissen, ob es uns gelungen war, etwas aus dem Papier des Agas herauszulesen, denn sie musste das kostbare Blatt nun eilig der Frau von Eugens persönlichem Kammerherrn zurückgeben.
    Ich berichtete ihr und dem Abbé vom Tod Kolomans, von Opalinskis Reaktion und seinen Bezichtigungen des Pennals. Meine Gemahlin fiel kraftlos auf einen Stuhl. Melani, wie üblich hinter seinen schwarzen Augengläsern verschanzt, strich über den Knauf seines Stocks, in unergründliche Grübeleien versunken.
    «Und wenn es ein Unfall war?»
    «Und wenn es der Mönch war?»
    «Und wenn es …?»
    Unzählige Fragen drängten sich auf, während ich Cloridia Bericht erstattete.
    Wir wussten es beide: Nur die letzte der drei Möglichkeiten, jene, die den Namen Penicek in sich barg, verband den Tod aller vier Studenten. Und bei dieser Vermutung blieb nur eine Frage offen: warum?
    Zuletzt erklärte ich ihr, wie der Böhme das Geheimnis des Satzes, welches eben keines war, ein für alle Mal gelüftet hatte. Die Türken wollten mit diesem Satz Eugen gegenüber betonen, dass sie mit der Aufrichtigkeit des Dayi Çerkes nach Wien gekommen seien: ganz allein. Es handelte sich also um eine Metapher, deren Bedeutung für den Durchlauchtigsten Prinzen jedoch vollkommen klar sein musste, da das Haus mit der Statue davor sich in seinem Besitz befand.
    «Die Türken haben nichts damit zu tun, das ist gut, und ich bin froh darüber. Der Tod Kolomans mag auch ein Unfall gewesen sein. Aber die anderen drei Studenten hat jemand ermordet, einen nach dem anderen. Und mir gefällt dieser Penicek nicht», sagte sie schließlich in düsterem Ton.
    «Aber er hat mir das Leben gerettet», wandte ich ein.
    «Wir wollen nicht übertreiben. Sagen wir, er kam im richtigen Augenblick dazu.»
    Auch mir gefiel Penicek nicht. Ich hatte nie darüber nachgedacht, doch in den vergangenen Tagen hatte ich mich gelegentlich dabei überrascht, dass ich meinen Blick von diesem schief gewachsenen, mausartigen Geschöpf mit den Augen eines bebrillten Frettchens abwandte, da etwas Dunkles, Unangenehmes von ihm auszugehen schien. Obwohl sein Erscheinen im Prater mir den tödlichen Messerstich erspart hatte und er jetzt mit der Geschichte vom Tscherkessen den entscheidenden Beitrag zur Lösung des Satzes vom Aga geliefert hatte, war es mir doch nie eingefallen, ihm auch nur einen Scudo in die Hand zu drücken, womit ich, ohne es mir bewusstzumachen, seine Rolle als Pennal ausnutzte. Ach, ich hatte mich von Simonis beeinflussen lassen, der ihn mit Misshandlungen überhäufte, vielleicht aber auch von der Weisheit seiner Heimat, Griechenland, wo die Idee entstand, das Schöne sei auch das Gute, während, was nicht schön ist, das Böse in sich birgt. Und schön war Penicek gewiss nicht. Überdies hinkte er, wie der Teufel. Aber kaum ein Mensch war weniger geeignet, derlei Erwägungen anzustellen, als ich, der ich von meinem achtjährigen Sohn schon bald an Körpergröße übertroffen würde.
    «Und Simonis, was denkt er über diese Geschichte?», fragte meine Frau. «Der Böhme untersteht doch seinen Befehlen, wie mir scheint.»
    «Ja. Anfangs hat er ihn in die Enge getrieben. Dann aber, als Penicek uns die wahre Bedeutung des Satzes enthüllt hat … du weißt, Simonis ist manchmal … wie soll ich sagen?, schwer zu durchschauen.»
    «Ja, der Arme», stimmte Cloridia zu, die für meinen Gesellen, diesen großen Jungen, immer ein Herz gehabt hatte.
    «Es ist bequem, den Idioten

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