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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Raubvogel hackte auf meinen Schädel ein. Ich musste Atto loslassen, um mich zu verteidigen. Während ich mit halbgeschlossenen Augen wie verrückt um mich schlug, aus Furcht, geblendet zu werden, meinte ich, eine Gabelweihe, einige Sittiche und andere Flieger unbekannter Arten zu erkennen.
    Die Löwin kam derweil immer näher, brüllte und bleckte die Zähne.
    Plötzlich fuhr ein Ruck durch das Schiff wie der Stoß einer unsichtbaren Welle, und es begann zu schwanken. Der Elefant hatte seinen närrischen Ringelreigen beendet und begann nun, mit dem Rüssel rhythmisch gegen den anderen Flügel zu stoßen. An seiner Seite machte ein Panther, vielleicht derselbe, der es auf mich abgesehen hatte, bevor ich zum Fliegenden Schiff gestürzt war, Anstalten, auf das Schiff zu springen, und nur dessen fortwährendes Schwanken ließ ihn noch zögern.
    Endlich ließen die kreischenden Vögel von mir ab. Ich fuhr mir über den Kopf und betrachtete meine Handflächen: Sie waren hellrot. Aus Myriaden kleiner Wunden, die ich von dem Angriff der Vögel davongetragen hatte, floss Blut, es benetzte mir das Haupt und floss mir über Stirn und Kinn. Nun hievten wir den leichenblassen, am ganzen Körper zitternden Abbé Melani auf den Flügel, doch wenig fehlte, und er hätte das Gleichgewicht verloren und wäre erneut hinabgestürzt. Denn das Schiff schwankte so heftig, dass wir uns kaum aufrecht halten konnten, als wir über die Brüstung in den Innenraum zu klettern versuchten.
    «Der Elefant …», keuchte ich und wies Simonis auf das gewaltige Untier hin, um ihm zu erklären, warum das Schiff so stark schaukelte.
    Mittlerweile war der Gigant jedoch ebenfalls von den Vögeln angegriffen worden und hatte aufgehört, gegen das Schiff zu stoßen, um stattdessen wieder wie wahnsinnig im Kreis herumzulaufen, wobei er sich die Vögel mit dem Rüssel von den Augen verscheuchte und mit seinen schmetternden Rufen Löwen, Panther und Luchse einschüchterte. Von diesem Pandämonium verwirrt, hatte die Löwin ihre Absicht, uns anzugreifen, aufgegeben und es vorgezogen, sich einer Gruppe Artgenossen anzuschließen, die mittlerweile den Ochsen zerfleischte. Doch das Schiff hatte bereits einen neuen Gast: den Panther.
    «Allmächtiger Gott, beschütze uns», murmelte Abbé Melani bebend.
    Die Bestie war auf den gegenüberliegenden Flügel gesprungen und näherte sich uns nun mit kleinen Schritten.
    Es blieb keine Zeit, das Für und Wider abzuwägen. Simonis ergriff aus dem Schiffsinneren die einzige Waffe, die uns zur Verfügung stand: einen Rauchfangkehrerbesen.
    «Ich hatte ihn beim letzten Mal hier vergessen, Herr Meister.»
    Inzwischen beendete die gutorganisierte Gruppe der Fleischfresser ihr tödliches Werk an dem Ochsen, der bereits in einem See aus Blut und Eingeweiden am Boden lag. Unweit davon hatten zwei Stiere einen aussichtsreichen Kampf gegen einen Löwen aufgenommen, indem sie ihm den Bauch mit den Hörnern aufrissen; der am Boden sich windenden Raubkatze quoll schon das Gedärm aus dem Bauch, unter verzweifeltem Gebrüll schlug sie mit schwachen Tatzenhieben vergeblich nach ihren Schlächtern. Ringsumher gab es jetzt nichts als Gräuel, Blut und Wahnsinn. Wenigen Tieren war es gelungen, aus den beiden Türen des Stadions zu entfliehen, der größte Teil schien im Tollhaus dieser Arena gefangen.
    Der durchdringende Geruch des Blutes schien den Panther, der auf den Flügel des Schiffes gesprungen war, höchlich zu erregen, denn er betrachtete uns mit heißhungriger Wut. Wir hockten zu dritt, eng aneinandergepresst, im Inneren des Schiffes. Doch kaum war die Raubkatze in unser Gehäuse gesprungen, versetzte mein Gehilfe ihr einen tüchtigen Schlag auf den Schädel. Groß war das Erstaunen des Panthers: Auf Widerstand schien er durchaus nicht gefasst. Jetzt schwankte das Schiff ein paarmal. Ringsumher beruhigte sich unterdessen das Treiben der Vögel, das anfängliche ohrenbetäubende Krächzen war verstummt. Viele waren davongeflogen, andere hatten sich hier und da hingehockt, wieder andere waren zerquetscht oder von den Prankenhieben der wilden Tiere zerrissen worden. Jetzt überwog das sonore Gebrüll der Bestien, die in Ermangelung anderer Opfer (der Ochse war den stärksten, selbstsichersten Tieren vorbehalten) knurrend um das Schiff strichen. Der erste Rausch war verflogen, nun witterten sie ihre nächste Beute: uns. Sogar der Elefant hatte sein Kreisen beendet und sich dem Schiff genähert, um uns mit dem schmetternden Laut einer

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