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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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schicken müssen, und da dreißig Dublonen den Verwandten zu wenig erschienen waren, hatten sie Domenico sogar ohne einen Diener nach Paris geschickt.
    «Wie habe ich mir gewünscht, er würde einen Diener mit sich führen, der ein wenig zu kochen verstand, damit ich mal italienische Speisen vorgesetzt bekomme! Egoisten und Geizhälse, das sind sie! Und ich weiß, wovon ich spreche, denn ich bin über die großen Erträgnisse der Familie gut informiert. Als Domenico das Amt des Sekretärs der Consulta in Siena erhielt, ließ mir der Großherzog die Nachricht über alle Bezüge und Ehrungen zukommen, die der Neffe fortan genoss. Eines Tages werde ich damit herausrücken und diesen Raben schreiben, sie sollen mit ihrem alten Onkel nicht immer Versteck spielen, denn der Großherzog erzählt mir ohnehin alles brühwarm.»
    Doch mit der Zeit hatte der alte Abbé den Neffen liebgewonnen, ja, ihn sogar zum französischen Bürger machen lassen.
    «Aber da brach es erst recht los. Die anderen Neffen wurden neidisch, denn sie fürchteten, ich würde ihm Vorteile verschaffen.»
    Und Atto erklärte Simonis und mir, die wir seinem Salbadern stumm und müde zuhörten, dass die gesamte Verwandtschaft ihm hingegen für diese Entscheidung hätte dankbar sein sollen, denn wenn er stürbe, würden seine Möbel und alle Einkünfte, die er aus dem Landhaus nahe Paris beziehe, dem Erstbesten gegeben, der danach verlangte.
    «Das ist ein Recht der Krone, in Frankreich heißt es aubaine , und darum holen die meisten Fremden einen Verwandten zu sich, um ihn naturalisieren zu lassen.»
    Tatsächlich war dies nicht der erste Neffe, den Abbé Melani bei sich aufnahm.
    «Vor drei Jahren habe ich meinen lieben Neffen Leopoldo verloren. Er war blond und von anmutigstem Äußeren. Ich war untröstlich, er starb mit nur vierunddreißig Jahren. Nach über zwanzig Tagen unablässigen Fiebers mit Hauptweh und Delirium ist er verschieden. Gott, der Herr, hat in seiner Güte gewollt, dass er rechtzeitig alle Sakramente erhielt, so ist er als Heiliger gestorben, und das ist der einzige Trost, der mir bleibt. Er war zu einem so tüchtigen jungen Manne gereift, mit engelsgleichen Manieren; alle, die Umgang mit ihm hatten, liebten und schätzten ihn. Auch ich erkrankte in jener Zeit, da er daniederlag, und Gott in seiner Barmherzigkeit hat mich verschont, auf dass die Frucht all meiner Mühen nicht verlorengehe.»
    Hier machte Atto eine gerührte Pause, doch gleichzeitig spitzte er die Ohren, um zu hören, ob es draußen noch regnete. Es regnete. Mit einem verzweifelten Blick auf Simonis, der keine Miene verzog, hub Melani wieder an.
    Dank jener Neidereien zwischen den Verwandten, erzählte er, habe er Domenico zu Beginn der kalten Jahreszeit wieder nach Hause schicken können. Doch dann sei der Neffe zurückgekehrt, und das habe er genutzt, um sich von ihm nach Wien begleiten zu lassen, statt einen Sekretär zu dingen.
    «Ich wollte mich wenigstens zum Teil für das entschädigen, was mir meine Verwandten genommen hatten. Doch nun ist Domenico krank. Wenn wir aus Wien abreisen, schicke ich ihn geradewegs nach Pistoia zurück, zusammen mit der Mortadella.»
    «Der Mortadella?», fragte ich verwundert.
    «Bevor wir die Reise nach Wien antraten, hatte ich die Neffen gebeten, mir kandierte Orangen zu schicken, nebst zwei der besten Mortadellas, die man in Pistoia macht. Sie sollten sie in die Weinkisten stecken, mit denen Ihre Königliche Hoheit, der Großherzog, mich beehrt. Denn ich wollte sie zum Frühstück essen, zumal ich die Reise ohnehin in der Sänfte machen musste und darum auch ein paar Flaschen Wein mitnehmen konnte. Aber diese Geizhälse haben mir ungenießbare Mortadella geschickt, hart und übermäßig stark gepfeffert, und von kandierten Orangen keine Spur!»
    Fordern sei das Einzige, was diese Neffen könnten, donnerte Melani, der schon in nichts mehr an den zitternden Greis auf dem Fliegenden Schiff erinnerte. Wäre er nicht gewesen, sie wären immer noch die armseligen Großneffen eines Glöckners statt Nachfahren eines venezianischen Edlen, erläuterte er, um zu betonen, dass die Republik Venedig ihn geadelt hatte.
    «Ich bin es gewesen, der durch heraldische Forschungen entdeckt hat, dass Machiavello in seiner Geschichte der Republik einen Ort Rocca del Melano erwähnt. Dort herrschte ein gewisser Biagio del Melano, von dem unser Name abstammt, mit dem diese Taugenichtse jetzt so sehr prahlen!»
    Derweil ließ der Regen endlich nach.

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