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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Majestät wieder in kriegswichtigen Angelegenheiten.»
    «Ich habe keine Ahnung, Signor Atto, wie dieses Schiff …», schüttelte ich den Kopf.
    «Wir sprechen später darüber», schnitt er mir das Wort ab. «Jetzt, wo dieser scheinheilige Idiot gegangen ist, muss ich dir etwas Wichtigeres erzählen.»
    Es ging um die Melodie von Gregorio Strozzi, die Atto aus der Musik der Bernsteine gehört zu haben meinte.
    Melani erklärte, auf den handschriftlichen Kopien der Sonate Strozzis, welche zur Zeit ihrer Entstehung vor etwa dreißig Jahren zirkulierten, sei am Rande ein Satz des Ekklesiasten notiert gewesen: Vae soli , quia cum ceciderit , non habet sublevantem se , was bedeute: «Wehe der Sonne, denn wenn sie fällt, wird sie niemanden haben, der ihr aufhilft.» Dies war der Satz, der Atto plötzlich in den Sinn gekommen war, als er hörte, wie die Bernsteine Strozzis Sonate spielten (wenn man es so nennen durfte).
    «Dann hat Simonis recht gehabt», sagte ich.
    «Was meinst du?», fragte Atto sogleich misstrauisch.
    «Euch ist übel geworden, darum habt Ihr es nicht gehört, aber er hat sofort erkannt, dass Eure Worte aus dem Werk des Ekklesiasten stammten.»
    «Sieh an, sieh an», bemerkte Atto, «das ist ja eine Gelehrtheit, die eines Bibelforschers würdig wäre! Findest du das nicht ein wenig eigenartig für einen Schornsteinfegergehilfen?»
    «Simonis ist ein Bettelstudent, Signor Atto, und die können durchaus sehr gebildet sein.»
    «Na gut», winkte er ärgerlich ab. «Kannst du mir aber vielleicht auch erklären, wie und warum die Bernsteine diese Sonate von Strozzi gespielt haben?»
    «Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Fast würde ich sagen, das Schiff hat uns die Lösung für soli soli soli mitteilen wollen.»
    Atto machte eine verdrossene Geste. Wie ich schon früher bei ihm beobachtet hatte, wehrte er sich gegen die Vorstellung, geheimnisvolle Kräfte seien am Werk. Unerklärliche Ereignisse begründete er lieber damit, dass das menschliche Wissen, seines eingeschlossen, schlicht nicht ausreiche.
    Melani fuhr fort: Wie den Satz des Agas könne man auch das Zitat des Ekklesiasten auf andere Weise übersetzen, indem man mit den unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes soli spiele.
    «Nicht ‹Wehe der Sonne›, sondern ‹Wehe dem, der allein ist›. Wehe dem, der allein ist, wie Joseph, denn wenn er fällt, wird er niemanden haben, der ihm aufhilft», schloss der Abbé.
    «Dann hätte das soli soli soli im Satz des Agas eine doppelte Bedeutung», folgerte ich. «Also hatte Hristo recht!»
    «Ach ja, dieser bulgarische Student. Jetzt sag mir genau, was er in diesem Billett geschrieben hat, bevor er starb.»
    «Das Zettelchen, das im Schachbrett versteckt war? Er hat geschrieben: ‹Schah matt, Schachmatt, der König ist erledigt.› Und als wir seine Leiche gefunden haben, hielt er einen weißen König in der Hand.»
    «Tatsächlich», bemerkte Melani zufrieden, doch sofort verfinsterte sich seine Miene: «Wenn du mir das allerdings früher gesagt hättest …»
    Dann schwieg er. Wahrscheinlich hatte er begriffen, dass ich ihm von Hristos Tod nicht genauer erzählt hatte, weil ich Atto zu dem Zeitpunkt noch nicht getraut hatte. Im Übrigen hatte auch ich jetzt, wo mein Argwohn verflogen war, keine Lust, das Thema wieder aufzurühren. Er hub unterdessen wieder an:
    «Habe ich dir die Geschichte von den zwei Belagerungen erzählt, die Joseph in Landau anführte?»
    «Natürlich, Signor Atto.»
    «Und habe ich dir auch von dem französischen Kommandanten Melac erzählt, der Joseph ritterlich anbot, nicht auf ihn schießen zu lassen?»
    «Ja, ich erinnere mich.»
    «Gut. Dann wirst du dich auch meiner Erklärung dieses Verhaltens entsinnen: Die guten alten militärischen Regeln ähneln jenen des Schachspiels, wo der gegnerische König niemals getötet werden kann. ‹Schachmatt› bedeutet nämlich ‹der König ist besiegt›, ‹der König hat keinen Ausweg mehr›, aber nicht ‹der König ist tot›. Euer bulgarischer Freund muss sich mit diesem Gedanken gequält haben, dem Gedanken an den König und sein Schicksal.»
    «Und was bedeutet das?»
    «Es bedeutet, dass das Billett eures bulgarischen Freundes und soli soli soli … nun, dass beides ein und dasselbe ist.»
    «Wie das?»
    « Soli soli soli kann nämlich noch anders übersetzt werden», fuhr Atto fort, «wenn das erste und dritte soli in der Bedeutung verwendet werden wie in dem Satz, der auf die Kanonen des französischen Königs graviert

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