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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Maßnahme, hatte man mir berichtet, sei auch getroffen worden, um die Anzahl nächtlicher Verbrechen zu verringern, da Handwerker und Bedienstete ungeachtet der Verbote häufig mit einem Degen bewaffnet umherliefen. Doch ging die Beleuchtung leider zu Lasten der Hausbesitzer, welche sich folglich nicht darum bekümmerten, sodass die Laternen, nachdem sie entzündet, jeden Abend nur kurze Zeit brannten, ungereinigt blieben und manchmal Opfer blindwütiger Zerstörung wurden. Allerorten hieß es ironisch, die Wiener Stadtbeleuchtung sei dazu da, um die Finsternis besser sehen zu können.
    Mit der Thronbesteigung unseres geliebten Joseph des Sieghaften hatte sich die Angelegenheit glücklicherweise geregelt. Und während so in Rom die spärlichen Kutschen, die es wagten, nachts auszufahren und die Finsternis mit ihren Fackeln zu durchschneiden, vom verderblichen Volk der Nacht überfallen wurden, eilten in Wien junge Bäuerinnen, Dienstmägdlein und Kindchen munter mit ihren Körben voller Waren und Hausrat durch die Stadt und fürchteten sich nicht einmal in den engsten und ärmsten Gassen.
    Wie ich im Corriere Ordinario , jener überaus informativen Wiener Gazette in italienischer Sprache, hatte lesen können, waren im vergangenen Jahr, 1710, von 4742 Verstorbenen nur dreiundsechzig einem gewaltsamen Tod zum Opfer gefallen, und von diesen nur dreizehn ermordet (darunter nicht wenige Studenten, bekanntlich rauflustige Gesellen) und fünf hingerichtet worden: Von den Ermordeten waren zehn mit dem Schwert, zwei mit der Hakenbüchse und einer durch Gift getötet worden; von den fünf Hingerichteten starben drei durch Enthauptung, einer durch den Strang und einer auf dem Rad. Die restlichen vierundvierzig Verstorbenen aber waren durch Unfälle geendet: Zweiundzwanzig waren von Treppen, Fenstern, Dächern oder anderen Erhebungen in den Tod gestürzt; zwei von Tragbalken zerschmettert worden, zwei weitere waren unter Weinfässer und eine Frau unter einen Karren geraten; vier wurden unter ausgehobenem Erdreich begraben; sechs ertranken, zwei waren von Pferden totgetreten worden, einer starb an falschen Arzneien, einer hatte sich selbst die Kehle durchgeschnitten, zwei waren in glühende Brennöfen gefallen und eine Frau an Mostdämpfen erstickt.
    Wie anders in Rom, wo jede Nacht mindestens ein Streit mit tödlichem Ausgang stattfand, von Diebstählen, Einbrüchen und Brandstiftung ganz zu schweigen! Wenn ich nur an das letzte Jahr zurückdachte, kamen mir gleich eine große Anzahl grausamer Fälle in den Sinn: Der alte Medikus im Haus der Falconieri hatte wegen Liebeshändeln den Hauslehrer getötet; in der Via Borgognona hatte ein irregewordener Steuereintreiber seine arme Magd erstochen; einem Branntweinverkäufer, der Aquavit feilbot, waren die wenigen Groschen, die er bei sich trug, mit Gewalt genommen worden, dann hatte man ihn aus Abscheu, und weil er sich heftig wehrte, mit Knüppeln totgeschlagen. Dem armen Bruder Cicco, dem uralten Eremiten der Porta Angelica, hatte man mit einer Hacke auf den Kopf geschlagen. Und wie könnte man die Rauferei um zwei Uhr nachts zwischen den Sbirren des Auditors der Apostolischen Kammer und einigen Dienern des Kardinals Acquaviva an der Ponte di Borgo vergessen? Dass die Sbirren die Laternen erhoben hatten, um den Dienern ins Gesicht zu sehen, hatten diese übel aufgenommen, und sofort war ein Kampf mit Faustschlägen und Messerstichen entbrannt. Sogar der Bargello war bedroht worden und hatte sich mit einem Satz hinter die Absperrketten der Engelsburg gerettet.
    Und jener Fall des jungen betrunkenen Weinbauers, der bewaffnet in die gutbesuchte Kirche an der Piazza del Popolo eindrang? Er verletzte zwei Menschen und löste so argen Tumult und gellende Frauenschreie aus, dass die Mönche die Feuerglocken läuteten, worauf die Soldaten des Ripetta-Viertels herbeieilten. Und jener arme Spediteur aus Liegi mit Namen Pasqua, dem während eines Streites um ein Uhr nachts auf der Piazza di Spagna nahe beim Palazzo der Kongregation der Propaganda Fide ausgerechnet von einem Kanonikus aus Loreto die Kehle durchgeschnitten wurde?
    Wenig halfen die Hinrichtungen am Galgen, ebenso wenig die weit schrecklicheren durch den Schlaghammer oder das Hinschlachten und Vierteilen in aller Öffentlichkeit auf der Piazza del Popolo. Auch die Razzien, die jedes Mal Aberdutzende Diebe ins Gefängnis brachten, oder die Anordnung Seiner Heiligkeit, die päpstlichen Kürassiere sollten nachts in kleinen Trupps

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