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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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durch die Stadt streifen, vermochten nichts auszurichten. Berühmt war der nächtliche Hinterhalt, den die von Soldaten der Pfarrei San Salvatore in Lauro unterstützten Papstgarden jenen Banditen gelegt hatten, welche Nacht für Nacht auf den Stufen des Oratoriums San Lorenzo in Lucina lauerten. Diese Verbrecher taten den Passanten nämlich Gewalt an, indem sie ihnen das Geld und häufig auch das Leben nahmen; darauf zogen sie mit anderen steckbrieflich gesuchten Mördern durch die Stadt, und die Garden wagten nicht, sie anzugreifen, weil das Gelichter immer in größeren Gruppen und bewaffnet ging. Alle wurden verurteilt, aber binnen eines Monats hatte sich schon die nächste Bande gebildet, noch gefährlicher als die alte.
    Vom seelenruhigen Wien aus gesehen, gemahnte mich die aufgewühlte Ewige Stadt an die Menagerie der wilden Tiere im Ort Ohne Namen. Und Geist und Herz eilten dankbar zum Bilde Atto Melanis, der mich dort herausgeholt hatte.

18. Stunde: Die Angestellten bei Hofe speisen zu Abend.
    Ich hatte mein Nachtmahl in der Gastwirtschaft beendet. Die Schüsseln und Teller der sieben Gänge standen aufgetürmt in einer Ecke des Tisches, der Wirt hatte sie vergessen. Die Tagessuppe, jeden Tag eine andere; der Teller Rindfleisch mit Soße und Radi; das Gemüse, das mal mit Schweinefleisch, mal mit Würsten, Kalbsleber oder Kalbsfüßen «gewürzt» war; die Pastete; die Schnecken und Krebse mit Spargelragout; der Braten, der heute Abend Lammfleisch gewesen war, an anderen Tagen Kapaun, Huhn, Gans, Ente oder Wild sein konnte; und schließlich der Salat: Eine solche Speisenfolge, wie ich sie in Rom vor vielen Jahren nur auf der Tafel des Kardinalstaatssekretärs Spada hatte gewahren können, wurde wahrhaftig, wie ich schon sagte, zum bescheidenen Preis von acht Kreuzern serviert und war das ganze Jahr über von gleicher Üppigkeit, außer während der Fastenzeit und der anderen kirchlich gebotenen Fastentage, an denen es zwar bei sieben Gängen blieb, die Fleischgerichte jedoch durch Berge von Fischen, Eieraufläufe und verschiedenste Backwaren ersetzt wurden.
    All das war an diesem Abend pflichtschuldig verspeist worden, freilich nicht von mir, einen geringen Teil ausgenommen, sondern von Simonis. Der Grieche hatte zwar kurz vor meiner Heimkehr mit dem Kleinen gespeist, doch schien er trotz seiner Schmächtigkeit immer essen zu können. Heute Abend sah er es als seine Aufgabe an zu verhindern, dass die Teller zurückgingen, die ich, erschüttert noch von den Abenteuern des Nachmittags, unter dem beleidigten Blick des Wirtes praktisch unberührt gelassen hatte.
    Die Handwerksgesellen hatten eigene Stammtische, wenn ihre Innung nicht sogar Trinkstuben, ja Herbergen besaß, wo sie häufig auch zum Mittagsmahl zusammenkamen, statt mit dem Meister zu speisen. Und so gab es Schneider-, Rauchfangkehrer-, Fleischhacker-, Handschuhmacher- und Komödienbierhäusl. Gewöhnlich hatten die Verbindungen der Künste und Gewerbe ihren eigenen «Saufwinkel» in den Gasthäusern, und dort waren die Tische getrennt: einer für die Meister und einer für die Gehilfen. Mein Geselle und ich aber trennten uns nicht gerne, und die neidischen Blicke, mit denen meine Zunftbrüder mich jedes Mal empfingen, hatten Simonis und mich dazu bewogen, treue Kunden der Wirtschaft nächst dem Kloster zu werden, statt die üblichen Lokale unserer Zunft zu besuchen.

    Während mein Gehilfe mit seiner großzügigen Hilfeleistung beschäftigt war, vervollständigte ich den nicht einfachen Bericht über die Ereignisse im Neugebäu, wobei ich vieles ausließ, was ihm verständlich zu machen kaum möglich gewesen wäre. Die Erzählung vom Löwen hatte ihn amüsiert; viel schwerer hingegen tat er sich zu begreifen, was das Fliegende Schiff sei, zumindest so lange, bis ich ihm die Gazette mit dem ausführlichen Bericht der Begebnisse vor zwei Jahren unter die Nase hielt. Daraufhin war er nachdenklich geworden, und als er die Lektüre mit einem lakonischen «Aha» abgeschlossen, hatte er keine Fragen mehr gestellt.
    Wir kehrten ins Kloster zurück; der Grieche zum Schlafen, ich und das Kind zur abendlichen Verabredung mit dem verdauungsfördernden Teegetränk. Während wir den Kreuzgang durchquerten, erklärte ich meinem Kleinen, welcher nach der Mama fragte, liebevoll, dass Cloridia noch im Palais des Prinzen Eugen verweilen müsse. Plötzlich aber verzog sich mein Gesicht zu jener Fratze, die sich einstellt, wenn man eine bittere Arznei trinkt:
    «Mich

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