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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Anhang wiedergibt. Mutig lehnt er gegen den Widerstand seines Kaisers Kürzungen ab, weil sie die Vollständigkeit seines Werkes gefährden würden. Ratschläge werde er erst dann befolgen, wenn seine Arbeit abgeschlossen ist.
    Doch der Kaiser stört sich noch an anderen Details. Der Historiker muss sich entschuldigen, weil er die Erziehung Karls «missverständlich» beschrieben hat (Cod. 8434, Karten 297 recto – 298 verso und 292 recto). Zwar trifft die Anschuldigung, er habe sie «bescheiden» genannt, nicht zu, doch der Passus wird sofort korrigiert. Und bei der Gelegenheit erinnert Spannagel daran, dass er immer noch auf die Dokumente wartet, die er erbeten hatte, um die Jugend des derzeitigen Kaisers besser beschreiben zu können.
    Vielleicht ist Spannagel zu kühn, brennt zu sehr darauf, unbequeme Themen zu behandeln, und vielleicht hat er tatsächlich unwillentlich Majestätsbeleidigung begangen. Der Keim des Neides bleibt stets fruchtbar: Es endet damit, dass der Historiker vom Kaiser nie empfangen wird und seine Biographie unveröffentlicht bleibt. Das Manuskript wartet immer noch auf einen Verleger; vielleicht wird sich eines Tages in Italien jemand des italienischen Textes annehmen.
    Spannagel beginnt, auf Latein auch eine Geschichte der Regierungszeit Karls zu schreiben, vielleicht um dem Kaiser gefällig zu sein. Doch das Werk bleibt unvollendet, und die Anzahl der Seiten, die Josephs Bruder gewidmet sind (vgl. Susanne Pum, Die Biographie Karls VI . Von Gottfried Philipp Spannagel . Ihr Wert als Geschichtsquelle , unveröffentlichte Dissertation, Wien 1980), ist lächerlich gering. Der Historiker, der Joseph geliebt hatte, kann Karl schwerlich schätzen.
    Die Zensurtätigkeit des Nachfolgers von Joseph dem Sieghaften war damit nicht beendet. Schon 1715, vier Jahre nach Josephs Tod, hatte Karl einen ungewöhnlichen Schritt getan: Er beauftragte zwei Hofbeamte mit der Durchsicht der gesamten Korrespondenz seines Vaters Leopold und seines verstorbenen Bruders, die in den Schreibtischen und Möbeln aufbewahrt war. Die sorgfältige Untersuchung dauerte fast vier Monate (vom 28. Januar bis zum 20. April und vom 26. August bis zum 19. September).
    Als er schließlich die Liste aller Dokumente in der Hand hält, befiehlt Karl, den größten Teil davon zu verbrennen. Seite für Seite notiert er persönlich, welche Papiere der Nachwelt nicht erhalten bleiben dürfen: an erster Stelle alles, was von persönlichem und familiärem Interesse ist. Im Wiener Staatsarchiv wird noch das akkurate Protokoll der Sichtung mit Karls Anmerkungen aufbewahrt (Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Familienakten, Karton 105, Nr. 239). Unter den privaten Papieren Josephs, die von den Beamten aufgelistet wurden, fällt die große Anzahl an Briefen und Memoiren auf, die Landau betreffen: Man erkennt ictu oculi , wie wichtig dem jungen Heerführer der zweifache Triumph in Bayern gewesen war. Zu den verbrannten Papieren gehörten Dutzende von Briefen, die zwischen Joseph und Karl, zwischen den Brüdern und dem Vater sowie zwischen ihren Gemahlinnen hin- und hergingen, außerdem sehr viele andere Schreiben ohne Angabe des Inhalts. Bei der persönlichen Korrespondenz findet sich am Rand sogar die Bemerkung: «Verbrennen, so nichts was ins Publicum einläuft.»
    Warum blieb eine so große Menge an Dokumenten vier Jahre lang unbeachtet? (Dies ist umso merkwürdiger, als in dem Protokoll sogar die Existenz von Juwelen zwischen den hinterlassenen Briefen erwähnt wird.) Welche geheimnisvolle Kraft hat Karl bewogen, so viele kostbare familiäre Erinnerungen zu zerstören? Verbarg sich in diesen Briefen die Wahrheit über die Beziehung zwischen den beiden Brüdern? Oder womöglich verräterische Informationen über Josephs Tod? Die von Karl angeordnete Verbrennung macht eine Antwort für immer unmöglich.
ATTO MELANI

    Die Nachricht von der Ankunft eines gewissen Milani Anfang April in Wien, die der Schornsteinfeger in seiner Erzählung staunend der Zeitung entnimmt, ist keineswegs erfunden. Auf der Seite 4 schreibt das Wiennerische Diarium vom 8.-10. April 1711: « Schottenthor … Herr Milan /kayserl . Postmeister /komt auß Italien /gehet ins Posthauß .» Jeder kann dies in der Wiener Nationalbibliothek oder in der städtischen Bibliothek im Rathaus nachkontrollieren, ebenso wie alle anderen Zitate aus den damaligen Zeitungen.
    Durch einen sonderbaren Zufall wurden Atto Melani und Joseph I. beide in einer Kirche der Barfüßigen Augustiner

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