Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
Vom Netzwerk:
siegreichen Belagerungen Landaus von 1702 und 1704 und die versäumte Teilnahme an den Kämpfen von 1703, bei denen die bayrische Festung von den Franzosen zurückerobert wurde, wie Atto Melani erzählt.
    Spannagel fragt sich: Warum konnte Joseph nicht am Feldzug 1703 teilnehmen? Die Antwort ist ein heißes Eisen: Es gab im Kaiserhof Personen, die wollten, dass er zu Hause blieb, und das nicht aus gutgemeinter Sorge. Die offiziellen Begründungen für die Ablehnung (vgl. Cod. 7713, S. 105 = Karte 239 recto und folgende) waren natürlich «der Mangel an notwendiger Ausrüstung» und «das Ungenügen der Staatsfinanzen», außerdem «die beträchtliche Anzahl der Feinde» und «der Überfluss, in welchem sie alles zur guten Kriegsführung Notwendige besaßen». Aber das reicht zur Erklärung nicht aus, sagt Spannagel. Man müsse prüfen, ob die Männer, die auf der kaiserlichen Seite über politische und militärische Angelegenheiten entschieden, wirklich ihr Bestes taten. Freilich ist ihm bewusst, dass «die so beschaffene Untersuchung und Vergleichung ein kühnes, unangenehmes und mühevolles Unterfangen ist», denn sie bedeutet auch, «eine genaue Erkundung der Absichten, der Seelen und der Herzen, welche hundert und aberhundert unerforschliche Umwege kennen». Diese seien so unerforschlich, dass ehrliche Freunde Josephs Zweifel hegten, «ob seine Gegner dem Kaiser und dem Römischen König wirklich mit der allergrößten Treue gedient haben, und ob nicht ohne diesen Missstand viele Schwierigkeiten und viel Unglück hätten vermieden werden können».
    Jemand hat also betrogen oder zumindest seine Pflicht nicht zur Genüge getan. Warum? Vor allem, weil es an «einer vollendeten Harmonie» zwischen Joseph und den Ministern seines Vaters mangelte, außerdem wegen «einer gewissen Art von Neid», der die Minister um Leopold bewog, «misstrauisch zu sein gegenüber jenen der aufgehenden Sonne», also den Ministern Josephs. Letztere waren jedoch überzeugt, dass die einzige Möglichkeit, «das Haus Osterreich vor dem endgültigen Untergange zu retten», darin bestehe, dass «der Römische König große und seinen glänzenden Talenten angemessene Dinge ins Werk setzen kann». Wenn die Verhältnisse sich ändern sollten, musste ein entschiedener Kurswechsel in der Führung des Landes erfolgen, daher war es nötig, dass Josephs Stern endlich wirklich erstrahlte, und zwar so, wie er bei der Einnahme Landaus 1702 zu strahlen begonnen hatte.
    Spannagel, dessen Geburtsjahr nicht bekannt ist, der aber wahrscheinlich 1749 starb (Ig. Fr. V. Mosler, Geschichte der k . k . Hqßihliothek zu Wien , Wien 1835, S. 148), war ein Zeitgenosse Josephs I. Als Zeitzeuge der meisten Ereignisse, von denen er berichtet, hätte er sie auch nach dem Hörensagen schildern oder mündliche Zeugnisse zitieren können. Doch mit äußerster Gewissenhaftigkeit zitiert er (Cod. 7713, S. 124-126; Anhang zum 5. Buch – Brief Z) urkundliche Quellen, die ihm der Kanzler selbst geliefert hat: Briefe, die Fürst Salm, Josephs alter Erzieher, in den ersten Monaten des Jahres 1703 an Graf Sinzendorf richtet. Hier wird offen von den «schlechten Plänen dieser Regierung» gesprochen, man verweist auf die «äußerste Dringlichkeit» eines Wechsels der Minister und darauf, wie wichtig es sei, sie durch «fähige, integre und glaubwürdige Personen» zu ersetzen, «welche die Verhältnisse ändern und dem Missbrauch ein Ende machen können». Salm fügt in klaren Worten hinzu: «In Anbetracht der Bösartigkeit der jetzigen Regierung gegenüber dem Römischen König, kann ich, und das sage ich Euch ganz offen, nicht dazu raten, dass der König sich in die Kampagne begibt.»
    Es stimmt also, dass Joseph, wie der Erzieher der Familie Karls VI. sagt, ein Opfer «schlechter Pläne» oder, besser, des Neides, wurde. Darum wurde ihm verwehrt, 1703 in den Krieg zu ziehen, sich also erneut Ruhm zu erwerben.
    Karl missfällt die Biographie von «Joseph dem Sieghaften, König und Kaiser der Römer, König von Ungarn und Böhmen und Erzherzog von Österreich». Schon bald werden Verhandlungen geführt: Karl lässt Spannagel durch seinen Kanzler Kürzungen vorschlagen (Cod. 8434, Karten 280-286), und zwar vor allem an dem Teil, der die Gründe anführt, warum Joseph gehindert wurde, sich während der Kampagne von 1703 persönlich an die Front zu begeben. Spannagel konnte diese Geschichte nicht zuletzt dank der vom Kanzler selbst gelieferten Dokumente rekonstruieren, die er im

Weitere Kostenlose Bücher