Veritas
geschenkt hatte, nicht ebenso lauter: Alle erwarteten von ihm ein Zeichen für den Bruch mit Rom, etwas, das endlich den Niedergang des Papsttums ankündigte. So ging die von Maximilian ersehnte Imitatio Christi über seine eigenen Absichten hinaus: Er wurde verraten und verlassen, ganz so, wie die Juden Christus kreuzigen ließen, als sie erkannt hatten, dass er nie das Schwert gegen Rom erheben würde.
«Dann war der Krieg gegen die Türken also die Gelegenheit für die Ketzer, sich zu rächen und ihn zu beseitigen», schloss ich, während ich mir niesend eine Wolke schmutzigen Staubes vom Gesicht wischte, die ein großer Rußklumpen aufgewirbelt hatte.
«Sie hatten nur allzu leichtes Spiel: Wie viele ketzerische Fürsten haben sie die Hohe Pforte allein aus Hass gegen die Kirche Roms unterstützt und finanziert!»
Etwas Ähnliches hatte ich schon einmal gehört: vor vielen Jahren, als einige Gäste der Locanda, in der ich arbeitete, mich über die geheimen Bündnisse des Sonnenkönigs Ludwigs XIV mit dem Osmanischen Reich aufklärten. Jener Fall war im Grunde noch schlimmer: Nicht um protestantische Fürsten handelte es sich, sondern um den Allerchristlichsten Herrscher von Frankreich, den Eingeborenen Sohn der Kirche. Der Papst seinerseits war um nichts besser gewesen und hatte die Häretiker sogar aus persönlicher Gewinnsucht unterstützt. So hatte die Erfahrung mich gelehrt, dass man bei Monarchen wahrlich auf alles gefasst sein musste.
«Nach der Niederlage wurde alles anders», setzte Simonis seine Schilderung fort, «angefangen mit Maximilian selbst.»
Er wähnte sich von Spionen umgeben, von Feinden, die mit ihren Ränken sein Ende besiegeln wollten. Georg Ilsung aber war seit Jahren sein Berater und vor ihm der seines Vaters. Er war sehr mächtig: Seine Karriere hatte begonnen, als er für die Fugger in Augsburg arbeitete, jene Kaufmannsfamilie, die Karl V. auf den Kaiserthron verholfen hatte. Sie hatte ihm Geldmittel zur Verfügung gestellt, um die Kurfürsten zu bestechen. Die Fugger steckten hinter jedem Schritt, den Ilsung tat. Sie verliehen nicht nur Geld, sie zahlten dem Kaiser sogar im Voraus die versprochenen, aber noch nicht eingetroffenen Tribute der Kurfürsten, und das zu einem Zinssatz, der gen null ging …
Die Habsburger waren bei den Fuggern bis zum Hals verschuldet. Maximilian konnte sich Ilsungs also nicht so leicht entledigen.
«Georg Ilsung war die Quelle, aus welcher das Gold der Kaiser sprudelte», sagte Simonis in aller Deutlichkeit. «Wenn Geld für die Türkenkriege benötigt wurde, war er derjenige, der es auftrieb. Wenn es Aufstände in Ungarn gab und man Waffen oder Geld brauchte, um die Anführer der Rebellen zu besänftigen, griff er ein. Ging es darum, mit den Fuggern um ein Darlehen zu verhandeln und die Grenzzölle oder den Ertrag der kaiserlichen Quecksilberminen in Idria als Sicherheit anzubieten, wurde er gefragt. Waren Schulden zu begleichen, bediente Ilsung sich anderer Geldgeber, um die Zinslasten zu verteilen. Wenn er niemanden fand, zahlte er aus eigener Tasche und wartete geduldig, bis der Kaiser und seine Schatzmeister Gelegenheit fanden, es ihm zurückzuerstatten.»
«Er hatte den Kaiser also in der Hand.»
«Er konnte mit ihm machen, was er wollte. Derweil reiste der andere mächtige Ratgeber, David Ungnad, unter dem Vorwand der Gesandtschaften zwischen Konstantinopel und Wien hin und her.»
«Ein Spion der Hohen Pforte», erriet ich.
«In engem Austausch mit den Geldgebern Süleymans», ergänzte mein Gehilfe.
Maximilian, berichtete er weiter, fühlte sich den beiden ausgeliefert, fragte sich, wann sie ihn endgültig beseitigen würden, beobachtete mit Sorge, wie sein Sohn Rudolf nach und nach in ihre Klauen geriet. Er wollte irgendetwas tun, konnte aber niemandem mehr vertrauen. Er war entmachtet, ein Leichnam auf dem Thron.
Er war ein brillanter Gesprächspartner gewesen, ein angenehmer Tischgenosse, er sprühte vor Ideen und Witz, hatte tausend Pläne. Die gleichen Hoffnungen, die das Reich und die Welt in ihn setzten, hegte er selbst für die Zukunft. Jetzt war er verschlossen, unduldsam, verhielt sich rätselhaft. Gespräche ließen ihn gleichgültig, der feurige, durchdringende Blick war nun schwermütig verhangen, die Stimme erloschen. Gewissenhaft berichteten die Gesandten der ausländischen Mächte ihren Herrschern, dass der Kaiser nicht mehr er selbst sei, dass der Schlag Süleymans ihn für immer gezeichnet habe. Ein Toter, der
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