Veritas
wurde, auch wenn es ein beliebiger Untertan war, erkannte er ihn auf der Stelle wieder. All sein Sinnen und Trachten war auf Großes gerichtet, und es war offensichtlich, dass ihn der gegenwärtige Zustand des Reiches nicht zufriedenstellte. Überaus versiert in Staatsdingen, diskurrierte er diese doch mit höchster Vorsicht. Außer dem Deutschen sprach er Latein, Italienisch, Spanisch, Böhmisch, Ungarisch und sogar ein wenig Französisch. Der Hofstaat, welcher sich um ihn gebildet hatte, war von überlegenem Glanz; sonderlich seine offene, gesellige Art und der Weitblick, mit welchem er die öffentlichen Angelegenheiten verfolgte, hatten ihm von Beginn an große Beliebtheit eingetragen.
«Alle erwarteten von ihm eine lange Regentschaft voller Erfolge», bemerkte Simonis.
Maximilian der Mysteriöse liebte das Schöne, die erhabenen Früchte des Geistes und der Bildung. Sein vertrauter Ratgeber Kaspar von Nidbruck sammelte, unterstützt von einer großen Schar gelehrter Männer, in ganz Europa kostbare Bücher und Manuskripte, mit deren Hilfe die Zenturiatoren von Magdeburg später ihre monumentale Geschichte der Kirche verfassen sollten. Er rettete die Universität zu Wien aus ihrem Niedergang und berief die hochtönendsten Namen des gelehrten Europas zur Lehre: den Botaniker Clusius zum Beispiel oder den Medikus Cratus von Krafftheim, und ohne Bedeutung war, ob sie es mit dem Papst oder dem Ketzer Luther hielten.
Obwohl er Frieden und Eintracht vorzog, musste Maximilian der Mysteriöse sich dem Kriege stellen. Mächtig drohte in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts von Osten die türkische Gefahr. Die Grenzen der Christenheit zu verteidigen, war eine schwere Bürde für den Kaiser, und mehr noch für Wien, die dem Osten so beängstigend ausgesetzte Stadt. Er allein schien sich der ungeheuren Aufgabe bewusst zu sein, welche den Westen erwartete, denn die Freunde und Verbündeten zeigten sich störrisch: Spanien zögerte, der Papst versprach Gelder, die dann nicht eintrafen, und Venedig, habgierig auf seine Geschäfte und Besitztümer im Osten bedacht, schloss sogar einen Separatfrieden mit den Türken. 1566 schließlich trafen die christlichen und die osmanischen Heere aufeinander. Maximilian wurde geschlagen, doch gekämpft hatte er nicht.
«Sein Vater, Ferdinand I., hatte mit dem Sultan Süleyman dem Prächtigen einen auf acht Jahre befristeten Waffenstillstand geschlossen. Als Gegenleistung für den Verzicht auf Kriegshandlungen musste das Reich der Hohen Pforte freilich ein Ehrengeschenk von dreißigtausend Dukaten im Jahr zahlen.»
Nach Ferdinands Tod war Maximilian keine andre Wahl geblieben, als Süleyman eine Verlängerung des Abkommens vorzuschlagen. Doch im Jahre 1565 flammte erneut ein gefährlicher Kriegsherd in Ungarn auf. Das Heer Süleymans begann sich zu rüsten.
Nach Beendigung des Mittagsmahls setzten wir unsere Ortsbesichtigung in den Küchen fort. Dann gingen wir hinauf und erkundeten das maior domus . Da diese Räume seit langem verlassen schienen, würden wir die für solche Fälle vorgesehene praktische Untersuchung durchführen: ein kleines Feuer an der Öffnung eines Kamins entzünden, um zu prüfen, ob wenigstens eine Spur Rauch aus dem Abzug im Dach entwich.
«Dies war der Moment, da sich Maximilians Schicksal entschied», hub Simonis mit bitterer Miene wieder an, derweil wir schnaufend und schwitzend Berge von Putzbrocken aus den Öffnungen der Kamine räumten, um die Rauchprobe durchführen zu können. «Einer seiner Diplomaten, David Ungnad, berichtete ihm, dass in Konstantinopel eine Streitmacht von hunderttausend Soldaten zusammengezogen werde. Darauf befahl der Kaiser seinem Reichspfennigmeister, also dem Verwalter der finanziellen Reserven, keine Kosten zu scheuen und ein gleichermaßen starkes Heer aufzustellen.»
Einige Zeit später trat der stellvertretende Reichspfennigmeister Georg Ilsung persönlich vor Maximilian und präsentierte ihm ein beeindruckendes Ergebnis: Dank der engen Verbindungen zu den mächtigsten deutschen Bankhäusern, wie den Fuggern, und nicht zuletzt seines, Ilsungs, persönlichen Vermögens, hatte er ein Heer aus achtzigtausend Soldaten zusammengestellt, bestehend aus fünfzigtausend Fußsoldaten und dreißigtausend zu Pferde. Auch hatte er sich Verstärkung durch die Medici in Florenz, Philibert von Savoyen, Alphonso von Ferrara, den Herzog von Guisa und die deutschen Kurfürsten gesichert. In Deutschland hatte Ilsung hohe Geldsummen
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