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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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türkische Sultan, hatte einen Lebenden besiegt und ihn einem Toten gleichgemacht.
    Die mutige Entscheidung, die protestantischen Ketzer nicht verfolgen zu lassen, ja, viele von ihnen als Ratgeber zu wählen, machte diesen unergründlichen Menschen dem Volk verhasst. Schon gab es einige, die vermuteten, hinter seinem gequälten Wesen und seiner unbegreiflichen Politik verberge sich nichts anderes als ein verwirrter Geist.
    Maximilian war nie von robuster Gesundheit gewesen; jetzt schien er sich dem Zusammenbruch zu nähern. Schon als er vom Feldzug nach Wien zurückkehrte, hatte sein altes Leiden, die Palpitation, sich wieder geregt. An den meisten Dingen hatte er jegliches Interesse verloren, nur mehr ein einziger Plan schien ihm noch am Herzen zu liegen.
    «Er träumte von einem neuen Gebäude», erklärte Simonis. «Und wir stehen mitten in seinem Traum: dem Ort Ohne Namen.»
    Er war zu pflichtbewusst, um die Regierungsgeschäfte zu vernachlässigen. Aber von nun an wurde jeder freie Augenblick der Planung des neuen Schlosses gewidmet. Im Laufe der Zeit gab er immer größere Summen dafür aus, und man sagte, es sei eine fixe Idee geworden, eine Art süßer Qual: lieber diesen Stein oder jenen Marmor verwenden? Diesen Sims oder jenen Fries? Eignete sich eine Serliana oder ein Portikus besser für die Fassade? Und welche Bäume, welche Hecken, welche seltenen Rosensorten für den Garten? Die Unentschlossenheit, die man ihm im Krieg gegen Süleyman vorgehalten hatte, wurde ihm jetzt zur lieben Gefährtin. Der Botschafter Venedigs schrieb seinen Landsleuten, der Kaiser habe nur eine einzige Sorge, welcher er sich gänzlich hingebe, eine wahre Obsession: den Bau eines Gartens und einer Villa eine halbe Meile vor Wien, und wenn sie dereinst fertiggestellt seien, würden sie eine echte königliche und kaiserliche Residenz werden.
    Sonderbar, bei der Planung ließ er sich von denselben italienischen Architekten unterstützen, die in seinem Auftrag Jahre zuvor Wien in Anbetracht des bevorstehenden Türkenkrieges befestigt hatten. Für den Ort Ohne Namen aber hatten die italienischen Baukünstler keine Bastionen, Außenwerke und Kontereskarpe geplant, sondern Türme gleich Minaretten, orientalische Halbmonde und Menagerien im osmanischen Stil.
    Hof und Volk waren entsetzt. Was um alles in der Welt trieb den Kaiser dazu, den Bauwerken Mohammeds eine so feierliche Reverenz zu erweisen?
    Aber es war keine Laune und auch nicht das Hirngespinst eines verfinsterten Geistes.
    «Im Jahre 1529, über dreißig Jahre vor Maximilians Niederlage, hatte Süleyman der Prächtige Wien belagert. Es war die erste der beiden großen – und gescheiterten – Belagerungen, mit denen die Ungläubigen die Kaiserstadt einzunehmen versuchten. Süleyman war mit einem riesigen Heer in Konstantinopel aufgebrochen, und er verfügte über sehr viel Geld von all jenen, die aus Habgier, wegen erlittenen Unrechts oder auch nur aus persönlichem Hass hofften, den mächtigen Stuhl Petri endlich stürzen zu sehen. Die Vermögen ganzer Familien, über Generationen hinweg zusammengetragen, waren in die Kassen des Sultans geflossen, um seinen Feldzug gegen die Giaurs, so nennen sie uns Christen, zu finanzieren. Süleyman scheute keine Kosten: Während der Belagerung wollte er, statt in einem Soldatenzelt, in einer riesigen, kostbaren Lagerstadt wohnen, einer Art Rekonstruktion seines Palasts in Konstantinopel mit Brunnen, Wasserspielen, Musikern, Tieren und einem Harem.»
    Wien einzunehmen und mit ihm die gesamte christliche Welt, schien damals kein unmögliches Unterfangen zu sein, erklärte der Grieche. War nicht kaum hundert Jahre zuvor Konstantinopel selbst, das Zweite Rom, das Byzanz der tiefgläubigen Kaiserin Theodora, der geliebten Gattin Justinians, in die Hände der Türken gefallen?
    «Diese ‹geile Tänzerin› – wie der treulose, lügnerische Skribent aus Cesarea sie hinter ihrem Rücken nannte – hatte sich mit ihrem inbrünstigen und umsichtigen Monophysitismus die ewige Seligkeit erworben und bei ihrem verfrühten Tod ein bedeutendes politisches und religiöses Vermächtnis hinterlassen: die einzigen unbesiegbaren Refugien des christlichen Glaubens in Asien, gegen die auch die Ungläubigen bis heute nichts auszurichten vermögen. Aber nicht einmal Theodora war es gelungen, ihr Byzanz vor Mohammed zu retten, dem Propheten, der knapp dreißig Jahre nach ihrem Tod geboren wurde. Und so wurde die Basilika der Heiligen Sophia, die Theodora

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