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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Österreich ihr ziehet
    Ernste Gedanken
    Erbittertes Zanken
    Aus Österreich ihr fliehet .
    Die Glorie florieren
    Sieht man allhier
    Man soll jubilieren
    Ob dieses Tags Zier .
    In dunklen Forsten
    Auf sonnigen Höhn
    Ein wohlklingend Flor
    Bildt zum Namensfest der Engelein Chor

    Fama : Des JOSEPHs Namen an diesen Küsten
    Hört freudig man widerhallen
    Bei seinem Namen ist es , als müssten
    Wellen und Lüfte
    Anmutige Düfte
    Mit frohem Gewisper aufwallen .

    Trotz der geringen Qualität der Reime erinnerte mich der einfältige Lobeshymnus daran, wie die Verehrung für Joseph I., die recht bald in meinem Herzen gewachsen war, umso größer wurde, je mehr Einzelheiten ich über seinen menschlichen Wert erfuhr: unendliche Güte, Großherzigkeit, Freigebigkeit und Liebe zur gerechten Sache waren seine natürlichen Gaben; mit Achtsamkeit und Milde fasste er auf, erwog, entschied und sprach Urteile; sein Mut war unvergleichlich, da er ohne Rücksicht auf Witterung, Jahreszeit und Gefahr zur Jagd ausritt, wenn auch die kühnsten Höflinge sich versagten, ihn zu begleiten, ja, er sich manchmal sogar von der Leibgarde trennte und allein oder nur mit einem einzigen Gefährten wieder vor den Stadttoren auftauchte.
    Im Laufe der Zeit hatte ich von den Bewohnern der Häuser, deren Rauchfänge ich kehrte, oder von den Gästen in Wirts- und Kaffeehäusern immer neue Erzählungen über die Güte Ihrer Kaiserlichen Majestät gehört. Er sei so großherzig, sagten sie, dass der, welcher als Erster eine Gunst von ihm erbitte, sie als Erster erhalte: Joseph konnte sich nicht entschlagen, den Bedürftigen etwas zu verweigern. Allen gab er ohne Rücksicht, wobei er nicht nur aus der Kaiserlichen Schatzkammer, sondern auch aus seiner privaten Kasse schöpfte und sich damit häufig in die peinlichste Notlage brachte.
    Doch keine Erzählung konnte es mit dem Eindruck aufnehmen, den ich selbst mit eigenen Augen gewonnen hatte, als ich ihn zum ersten Mal erblickte.
    Es war vor kaum zwei Monaten gewesen, im Februar, als man für die Karnevalsfeiern den alten Brauch der Prachtschlittenfahrt, einen feierlichen Ausflug des Kaisers und seines Hofstaats, wiederbelebt hatte. Das von Joseph selbst angeführte kaiserliche Gefolge zählte einundfünfzig, die Adeligen in Schlitten und Diener zu Fuß oder zu Pferde über hundertdreißig Personen.
    Die Schlitten waren in anmutigen Formen geschnitzt, Schwäne, Muscheln, Bären, Adler und Löwen; doch der prächtigste, der an jenem Morgen leer durch die Stadt gezogen wurde, damit das Volk ihn bewunderte, war der Schlitten des Kaisers und seiner Gemahlin: an der Vorderseite eine herrliche Intarsia aus Kupfer, ein kapitales Werk von Goldschmieden, Ebenisten und Vergoldern; an den Seiten zwei flötenspielende Faune, die atemberaubend echt wirkten, goldbestickte Decken aus Hermelinfell, die das kaiserliche Paar wärmten; an der Rückseite vergoldete Standarten mit dem Wappen der Habsburger und des Reichs. Im Gefolge zeigten sich andere Fahrzeuge in Gestalt der Venus, der Fortuna, des Herkules und der Ceres, darin sich adelige Paare verbargen. Umhüllt von Schals und Steppdecken, gaben sie sich vielleicht einem heimlichen, warmen Kusse hin.
    Nach einer langen Rundfahrt durch die Kärntnerstraße und angrenzende Gassen machte der Zug vor dem Stephansdom halt. Joseph stieg aus, um in der Kathedrale ein Dankgebet zum Allerhöchsten zu sprechen, begleitet von seiner Mutter, der Königswitwe Eleonore Magdalene Therese, seiner Gemahlin, der regierenden Königin Amalia Wilhelmine, den beiden Töchtern Maria Josepha und Maria Amalie und den Schwestern Maria Elisabeth und Maria Magdalena. Die Kaiserliche Familie schritt langsam auf das Kirchenportal zu und präsentierte sich freundlich der Menge. Denn den Kaisern des Hauses Habsburg ist es nicht nur eine Pflicht, sich dem Volke zu zeigen: Gerne sogar kommen sie dem Wunsch entgegen, bewundert und aus der Nähe gesehen zu werden. Auch aus diesem Grunde begab die Kaiserliche Familie sich häufig zur öffentlichen Messe in eine der Kirchen Wiens oder der Vorstädte, ging bei Prozessionen mit oder nahm – während der Fastenzeit – am traditionellen Kreuzweg auf dem sogenannten Kalvarienberg in Hernals teil, wo eine Kirche steht, die darob Kalvarienbergkirche genannt wird.
    Cloridia und ich hatten uns nach Kräften vorgedrängelt, um einen Platz in der Menge vor dem Stephansdom zu ergattern, doch das irrwitzige Gewühl hatte uns die Sicht verwehrt. Also waren wir, noch

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