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Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Titel: Verkehrte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen von der Lippe
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verständigte. Nicht bei allen Menschen, nur bei denen, die wirklich seekrank waren oder - so wie sie - keine Zwangsreaktion ausließen. Der Anankasmus, so hatte es ihr Therapeut erklärt, geht einher mit dem Zwang, sich einer Situation ausgeliefert zu fühlen.
    Sie fand das Wort Anankasmus blöd, aber noch blöder fand sie auf einmal diesen Kasten von Kreuzfahrtschiff und dieses Kästchen von Kabine, in dem sie untergebracht war. Kein Wunder, dass mir die Nerven durchgehen auf so engem Raum, dachte sie, als ein mächtiges dumpfes Knarzen das Schiff erschütterte. Danach war völlige Stille - das Schiff hatte aufgehört zu schaukeln. Ursula sprang aus der Koje und hetzte an Deck.
    »Keine Panik! Wir sind auf eine Sandbank gelaufen«, verkündete der Kapitän über Lautsprecher. »Bitte warten Sie dort, wo Sie sich gerade befinden, auf weitere Informationen. Danke.«
    »Da ist doch was faul«, dachte Ursula erfreut, »die haben Navis, Satelliten und das ganze technische Gedöns und laufen auf eine Sandbank. Ja, wie blöd ist das denn?« Sie machte sich auf den Weg zur Kommandobrücke. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sich drei sehr flache Motorboote der MS Maria näherten. Blitzartig wurde ihr bewusst, wo sie sich befanden: vor der Küste Somalias, wo die Vollmilchausgaben von Störtebeker und Co. ihr Unwesen trieben.
    »Vollmilch Nuss«, musste sie noch denken, als sie die sehnigen, muskulösen, halb nackten dunkelhäutigen Gestalten schärfer ins Auge fasste.
    In diesem Moment schlug die erste Granate in der Bordwand ein, ohne sehr viel Schaden anzurichten, aber wenn die acht anderen Schnellboote, die sich dem verhältnismäßig kleinen Kreuzfahrtschiff näherten, auch Granatwerfer hatten, dann gute Nacht, Marie.
    Sie eilte weiter die Treppen hoch zur Brücke, vorbei an blassgesichtigen Uniformträgern der 2. und 3. Liga, und betrat beschwingt das Steuerungshauptquartier, wo sich die Spitzenkräfte um den Kapitän scharten.
    »Und jetzt müssen wir wohl den ADAC rufen«, rief sie zur Begrüßung in die Runde und musste selber grinsen.
    »Wir haben keine Zeit für Späße«, antwortete der Kapitän sichtlich entnervt, »Piratenangriff, wir müssen das Schiff übergeben.«
    »Übergeben kommt für mich nicht mehr infrage«, antwortete Ursula laut und bestimmt, »das habe ich sozusagen zum Hals raus. Wir werden die Brut verscheuchen«, rief sie kampfeslustig und holte ihren iPod aus der Jackentasche. Natürlich bemerkte sie, dass man sie für wahnsinnig hielt, und sie deutete auch das kaum wahrnehmbare Kopfnicken des Kapitäns als Befehl, sie schnellstmöglich fortzuschaffen, richtig, aber sie hatte den berühmten winzig kleinen Überraschungsvorsprung und sagte: »Ist hier jemand in der Lage, das Ding mit der Lautsprecheranlage des Schiffes zu verbinden?«
    Der Techniker vom Dienst streckte automatisch die Hand aus.
    »Hier drin sind die fürchterlichsten Töne, die die Welt je gehört hat«, informierte sie knapp, als die nächste Granate einschlug.
    »Los, anschließen!«, kommandierte sie, »und schieben Sie die Regler bis zum verdammten Anschlag, einen Versuch ist es wert!«
    Blitzschnell hatte der Techniker reagiert und wartete nur auf ein Zeichen seines Kapitäns, während Ursula im iPod die Rubrik »Hölle« aufrief. Die Piraten fühlten sich offenbar etwas vernachlässigt und schossen eine dritte Granate in die Schiffshaut, was einen Ruck im Kapitänskörper erzeugte, den der Techniker als Zustimmung wertete, und augenblicklich wurde die Luft von einer ungeheuren Kakophonie erfüllt, einer derartigen Symphonie des Grauens, dass jedes Lebewesen, das a) Ohren und b) Hände hatte, sich auf der Stelle a mit b zuhielt. Ursula hatte sich schnell ihre Lärmstopohrstöpsel eingeführt und ging hinaus auf die Brücke.
    Die Schnellboote machten ihrem Namen alle Ehre, schienen auf dem Wasser davonzufliegen und hinterließen weiße Gischtmuster auf dem blauen Wasser, was sehr schön aussah.
    »Manchmal ist es doch nicht verkehrt«, musste sie denken, »gegen Bezahlung mit Männern zu schlafen, wenn der Mann Toningenieur ist und die Bezahlung der Rough-Mix von Dieter Bohlens neuem Soloalbum ist, das erst in zwei Monaten auf den Markt kommt.«
    Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! für Leipzig 2011 mit der Transaktion-ID 1075178 erstellt.

DIE OHRFEIGE
    »Gestatten Sie, dass ich Sie küsse?«
    »Wohin?«
    »Auf den Mund, dachte ich.«
    »Ausgeschlossen.«
    »Wie Sie wünschen, ich hätte nie zu hoffen gewagt,

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