Verkehrte Welt
also nicht so gut, aber bei euch habe ich ein gutes Gefühl, bei euch kann ich den großen Bildungshammer rausholen.«
Olaf hörte Frauengekicher und wähnte sich auf dem richtigen Weg.
»Wer mir sagen kann, wo Paris ist, bekommt noch einen doppelten Whisky obendrauf.«
»Jeden Abend bei nem anderen, du Flachwichser«, schnauzte ein Narbengesicht an der Theke, »aber bestimmt nicht bei dir!«
Das vereinzelt aufkeimende Gejohle machte Olaf Mut.
»Irrtum, Klugscheißer«, sagte er, öffnete seinen Hosenschlitz und holte ein mehrfach gefaltetes Farbposter von Paris Hilton hervor. Diesmal konnte er zwei Biergläsern ausweichen, dafür traf der Aschenbecher.
»Lieb gemeint, Leute«, rief er, »aber ich habe mir das Rauchen abgewöhnt. Probieren wir was anderes: Einer von euch fängt einen Witz an, und wenn ich ihn nicht weitererzählen kann, geht der Punkt an euch, o.k.?«
»Kommt ne Frau …«
»Zum Arzt«, schrie Olaf panisch.
»Falsch, Sackgesicht, sie kommt zum Apotheker, und wie geht's weiter? Wenn du's nicht weißt, komm ich rauf und tret dir in den Arsch!«
Olaf graste seine Festplatte hektisch nach Apothekerwitzen ab, aber ihm fiel absolut keiner ein.
»Wie's weitergeht, sag ich dir erst, wenn du mir die folgende Frage beantworten kannst, also, was ist grün und rennt durch den Wald?«
»Ein Rudel Gurken, du Schnarchhaken, und was kann ein Schwan, du kannst es nicht, solltest es aber können?«
»Weiß nicht«, musste Olaf zugeben.
»Sich die Gurken in den Arsch schieben! Was ist jetzt mit der Frau in der Apotheke?«
Olaf fühlte, wie der Schweiß ihm in die Kimme lief und sich dort staute.
»O.k., Leute, haltet euch fest, da kommt also diese Frau in die Apotheke, es ist ein heißer Tag, sie schwitzt, hat auch Übergewicht, wie viele amerikanische Hausfrauen ...«
»Hey, Schatz, der redet von dir«, rief ein fetter Glatzkopf im Publikum und deutete auf seine Frau, die vor Scham fast in ihrem Sessel versank.
»Komm zu Potte, du Penner, ich werde Weihnachten unterm Bäumchen erwartet!«
Zum ersten Mal lachten alle.
»Das läuft richtig gut«, dachte Olaf, »jetzt habe ich sie da, wo ich sie haben will.« »Ihr Mann«, fuhr er mit neuem Schwung fort, »war früher Hippie und wisst ihr, wie man die Ehefrau eines Hippies nennt?«
»Mississippi«, brüllten gleich fünf Leute unisono, »Mann, den Gag haben sie letztens in Ägypten als Grabbeigabe in einer Pyramide gefunden, noch so ne alte Schote, und du bist reif, Amigo!«
In diesem Moment geschah es: Olaf fiel tatsächlich ein Apothekerwitz ein. Leider der falsche, nämlich der, wo ein junger Mann in die Apotheke kommt und Kondome verlangt. Den kann ich jetzt unmöglich erzählen, dachte er, doch das Wörtchen »unmöglich« löste die rettende Assoziation aus.
»Kommt eine Frau in die Apotheke und fragt: ›Sagen Sie, stimmt es wirklich, dass eine Karotte gegen Impotenz hilft?‹ ›Nun ja‹, antwortet der Apotheker, ›alles eine Frage der Befestigung.««
»Buuuuh«, brüllten die Männer, »yeeeaahhhh«, gellte es aus genauso vielen Weiberkehlen.
Wow, dachte Olaf, ich stehe vor dem größten Erfolg meiner noch so jungen und hoffnungsvollen Karriere, jetzt nur nicht durchdrehen, flach atmen, Überblick behalten, die Ruderpinne nicht mehr aus der Hand geben!
»Na, Leute«, blaffte er, »schon müde? Wer lässt mich den nächsten Witz vervollständigen?«
»Kommt ne Frau in ne Apotheke …«
»Schön, dass du wieder wach bist, Freundchen, aber den Witz hatten wir gerade schon!«
»Nee, ist ne andere Frau und ne andere Apotheke.«
In diesem Moment sah Olaf seinen Opa so klar vor sich wie selbst zu dessen Lebzeiten nicht, und er hörte ihn sagen: »Olaf, mein Junge, willst du dich wirklich da durchbeißen, ist es das wert, nur um ein richtiger Mann zu sein?«
»Nein, Opa«, flüsterte Olaf und ging unter einem Hagel von Beschimpfungen und Wurfgeschossen von der Bühne. Er studierte Pharmazie und arbeitet heute in einer kleinen Apotheke im mittleren Westen.
Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! für Leipzig 2011 mit der Transaktion-ID 1075178 erstellt.
DIE KREUZFAHRT
Seit drei Tagen verließ Ursula die Koje ihrer Standardkabine auf dem Zwischendeck nur zum Kotzen. Ein mittelprächtiger Sturm hielt das schon etwas ältere Kreuzfahrtschiff in Bewegung, und zwar dergestalt, dass der im Mittelohr beheimatete Gleichgewichtssinn sich auf dem kurzen Dienstweg mit den für die Antiperistaltik der Speiseröhre zuständigen Magennerven
Weitere Kostenlose Bücher