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Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Titel: Verkehrte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen von der Lippe
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den Ostfriesen, oder was?«
    »Nein, Schatz, das Wasser hier vor der Tür heißt immer noch Mittelmeer. Jetzt sei nicht so grundlos eifersüchtig und lass deine beiden IQs mal zusammenarbeiten. Dir scheint ja die großartige Liebesgeschichte zwischen Odysseus und seiner Angetrauten völlig entgangen zu sein. Er verlässt doch sogar die Nymphe Kalypso, um zu seiner Penelope zurückzukehren.«
    »Aber erst, nachdem er sich sieben Jahre lang ausgetobt hat! Genug Zeit also, um vom Schiffchenfahren …«
    »Schiffchen? Liebe Frau, wir reden hier von pfeilschnellen offenen Kriegsschiffen mit umklappbarem Mast, einem Rahsegel aus Leinen oder auch Papyros und jeweils zehn Rudern oder Riemen, wie wir Seefahrer sagen, auf jeder Seite!«
    »Schiffchen, sag ich ja, um vom Schiffchenfahren mit Männerbesatzung und Nymphomanie an fremden Stränden die Schnauze restlos voll zu haben. So, du spitzeste Feder des Peleponnes, jetzt lass uns nach Hause gehen. Unsere Therme ist kaputt, das Wasser versickert. Ich brauche dringend deinen Dichtungs-Rat, oder soll ich etwa den Klempner rufen?«
    »Das ist ja wohl das Letzte: Ich haue hier nach der Ilias schon das zweite Epos von Weltgeltung raus, gegen das Goethe, Schiller und Shakespeare sich wie Dichter von Wirtinnenversen ausnehmen werden, und du .«
    »Wer sind denn die drei? Nie gehört.«
    »Die gibt es ja auch nicht, diese Namen habe ich mir gerade ausgedacht, bin schließlich Dichter, und jetzt noch mal zu mir: Mein Held Odysseus denkt bei allem immer nur an seine Frau, die sich mittlerweile die Bude voll Freier geholt hat!«
    »Sie hat sich aber keinem hingegeben!«
    »So ein Quatsch, du dumme Nuss! Bin ich Dichter, oder was? Das habe ich doch nur geschrieben, damit die Frauen was zum Bewundern haben, in Wirklichkeit hat die gute Penelope jede Nacht einen anderen ausprobiert, bis Odysseus dem Spiel ein Ende machte.«
    »Oh ja, und so fair und sportlich, hat mit seinem Sohn die Waffen der ahnungslosen Deppen beiseitegeschafft und, nachdem er diesen albernen Schießwettbewerb gewonnen hat, die wehrlosen Leute erschossen, dein Held!« »Was heißt hier ›mein Held‹? Ich habe nur zusammengefasst, was die Rhapsoden seit Jahrhunderten mündlich überliefert haben.«
    Homer biss sich wütend auf die Lippen.
    »Wie war das gerade«, rief seine Frau, »der ganze Mist ist gar nicht auf deinem gewachsen, du hast das nur nacherzählt?«
    »Nein, nur einen kleinen Teil; der ganze wunderbare Handlungsstrang, wie Telemach seinen Vater sucht, ist von mir.«
    »Ja, der ist toll, vor allem, dass er ihn nicht findet, ist ein Rieseneinfall!« »Herrgott, das ist doch für die Spannung wichtig, dass das am Ende alles kulminiert …«
    »Red nicht immer Latein mit mir, wir sind hier immer noch in Griechenland, jedenfalls bist du ein Plagiator, der sich mit den Federn fahrender Sänger schmückt; du schläfst heute im Gästezimmer, oder du kannst dir ja auch ein Bett aus einem Ölbaum schnitzen, wie dein Heimwerkerheld Odysseus, und das Schlafzimmer drumrumbauen, so was Blödes hat die Welt ja noch nicht gehört, ich glaube, das ist das Einzige, was du dir wirklich selber ausgedacht hast.«
    Die beiden sprachen lange kein Wort mehr miteinander, auch nach der Scheidung nicht. Es gab eine Zeitungsmeldung: Der bekannte Dichter Homer soll einen Klempner mit Pfeil und Bogen erschossen haben, aber die Anklage wurde fallen gelassen. Jagdunfall, hieß es. Homer begann zu trinken und hielt sich mit Laubsägearbeiten über Wasser, seine Frau heiratete einen schwerreichen Reeder und verbrachte den Rest ihres Lebens mit Schiffchenfahren.
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HUNGER
    »Schatz, was gibt's zu essen?«, fragte Robbi erwartungsvoll, als er vom Joggen nach Hause kam.
    »Nichts«, sagte Ela, die am Küchentisch saß und Kreuzworträtsel löste.
    »Mach keine Witze, ich hab einen Mordshunger«, sagte Robbi, zog sein verschwitztes Shirt und die Schuhe aus und ging ins Bad. Auf dem Weg dorthin warf er einen kurzen Blick in die Küche, konnte aber keinerlei Anzeichen von kulinarischen Aktivitäten entdecken.
    »Wahrscheinlich hat sie was im Ofen und will mich überraschen«, dachte Robbi und ging erst mal duschen. Doch auch zehn Minuten später, als er frisch und wohlriechend wieder auftauchte, hatte sich an der Küchenszenerie nichts verändert.
    »Gibt es wirklich nichts?«, fragte er ungläubig.
    »Ach, immer diese Völlerei, ich hab da

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