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Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Titel: Verkehrte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen von der Lippe
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hoch, weil mir beide Beine eingeschlafen waren. Ich rutschte erst in den nassen Sandalen aus und von da ins Wasser, und schon zog mich ein kräftiger Sog hinaus aufs Meer. Schöner Anblick, wenn das Wasser so gegen die Steine schwappt, dachte ich, und jetzt schwappe ich sogar mit. Wann geht das eigentlich genau los mit diesem Lebensfilm, der mit vielfacher Geschwindigkeit vor dem inneren Auge vorbeiläuft, und selbst wenn er mit 60-facher Geschwindigkeit läuft, braucht er in meinem Fall immer noch ein Jahr, bei 120-facher ein halbes Jahr, aber dann kriegt man doch gar nichts mehr mit von dem Film, und wer will schon ein halbes Jahr lang ersaufen? Während dieser eher düsteren Reflexionen sehe ich auf der Treppe, auf der ich vor Kurzem noch saß, einen Mann stehen und winken. Er ruft: Hallo, tut mir leid, die Sache mit dem Einkaufswagen, war keine Absicht, seit dem Schlaganfall kann ich mit links nicht mehr richtig zupacken, aber so hat jeder sein Päckchen zu tragen, schönen Urlaub noch. Schrie's und wandte sich zum Gehen. Ich dachte, wie kommst du aus der Geschichte wieder raus? Aufwachen ist öde, das war schon zu oft. Aber einschlafen ist gut, das hab ich noch nie gelesen. Also schlief ich ein.
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LACH-MAHAL
    Die Hütte war wieder restlos voll, registrierte Manni zufrieden. Seine Idee, aus der früheren Musikkneipe »Ohrwurm« den Comedy-Laden »Lach-Mahal« zu machen, war eingeschlagen wie eine Bombe. Montags war Witze-Abend, jeder konnte sich auf die Bühne stellen und so lange kalauern, bis man ihn runterbuhte. Dienstags gab's alte Stummfilme vom Super-Acht-Projektor mit Live-Piano-Untermalung, Mittwoch war Karaoke angesagt, und zwar internationale Hits mit japanischen Texten, in Lautschrift natürlich. Donnerstags Amateurtravestie, Freitags gab es nur geschlossene Veranstaltungen, Firmenjubiläen oder runde Geburtstage betuchter Jubilare, und jeden Samstag war Lach-K.O., Mannis ganzer Stolz. Es gab immer einen Herausforderer und einen Verweigerer aus dem Publikum. Der Herausforderer versuchte, den Verweigerer innerhalb von zwei Minuten zum Lachen zu bringen, alles war erlaubt außer körperlicher Gewalt, schaffte er es, war er eine Runde weiter, wenn nicht, war der Herausforderer für diesen Abend draußen, und der nächste versuchte sein Glück. Wer acht Runden siegreich beendet hatte, durfte anschließend mit dem Hut rumgehen und endete nicht selten bei 150 Euro.
    Kalli hatte schon siebenmal gewonnen und fixierte seinen Verweigerer-Gegner, einen pickligen Unsympathen mit fettigem Haar und Zahnlücke namens Tom.
    »Ein Franzose und ein Deutscher überleben einen Flugzeugabsturz im Dschungel«, startete er seinen ersten Angriff, »werden aber von Kannibalen gefangen genommen. Sie betteln um ihr Leben, na gut, sagt der Häuptling, ich stelle euch eine Aufgabe, wenn ihr die löst, seid ihr frei. Hier sind zwei Säcke, für jeden einer, und damit geht ihr in den Dschungel und sammelt 100 Früchte, genau 100 Früchte von derselben Sorte. Dafür habt ihr eine Stunde Zeit. Die beiden verschwinden wie der Blitz im Wald, nach einer halben Stunde kommt der Deutsche zurück und hat 100 Walnüsse im Sack. Gut, sagt der Häuptling, nun zum zweiten Teil der Aufgabe, die Nüsse musst du dir alle in der Arsch schieben, dann bist du frei. Die Prozedur beginnt, alle zählen mit. Als der Deutsche bei der letzten Nuss angekommen ist, muss er plötzlich lachen und kriegt sich nicht mehr ein. Was ist los, fragt der Häuptling, nur noch eine Nuss, dann bist du frei. Ja, aber guck doch mal, sagt der Deutsche, da kommt der Franzose, der hat Kokosnüsse gesammelt.«
    Im Gegensatz zum Publikum blieb Tom ungerührt und kaute gelangweilt sein Kaugummi weiter, auch als Kalli nachlegte.
    »Was ist grün und trägt ein Kopftuch? Na? Ich sag's dir. Eine Gürkin.«
    Allgemeines Gelächter, einige Frauen kreischten sogar auf, aber Tom hob den Arm und rief: »Stopp, Einspruch. Das mach ich nicht mit, Leute. Der Witz war rassistisch und frauenfeindlich und gehört nicht hier auf die Bühne.«
    Die ersten Buh-Rufe ertönten, und einer rief: »Scheiße Mann, der Witz war klasse. Weiter so.«
    »Recht hat er«, schallte es nun durch den Raum, eine junge Türkin mit grünem Kopftuch erhob sich, schaute in die Runde und sagte beleidigt:
    »Ich bin doch keine Gurke.«
    »Bist du dir da ganz sicher?«, rief jemand an der Theke und kippte vor

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