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Verlangen

Titel: Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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brummte Rathbone.
    Victora grinste, als sie an ihm vorbeisegelte und ihre Handschuhe auf dem Weg zum Eingang der Bibliothek abstreifte. »Kommen Sie, Rathbone. Sie standen bereits im Dienst meiner Tante, als ich als kleines Kind zum ersten Mal zu Besuch kam, und nicht ein einziges Mal hat sie das Haus niedergebrannt.«
    »Ich bitte um Verzeihung, Miss Huntington, doch denken Sie nur an die Zeit, in der Sie beide die Experimente mit dem Schießpulver durchgeführt haben.« Rathbone fühlte sich verpflichtet, Victoria an diese Episode zu erinnern.
    »Was? Wollen Sie mir erzählen, daß Sie sich immer noch an unseren lächerlichen kleinen Versuch, unsere eigenen Feuerwerkskörper herzustellen, erinnern? Was für ein gutes Gedächtnis Sie haben, Rathbone.«
    »Einige Ereignisse in unserem Leben graben sich unauslöschlich in das Gedächtnis ein. Wir sehen sie heute ebenso deutlich wie in dem Moment, als sie sich zugetragen haben. Ich persönlich werde niemals den Ausdruck auf dem Gesicht des ersten Pagen vergessen, als sich die Explosion ereignete. Einen entsetzlichen Moment lang glaubten wir, Sie wären dabei ums Leben gekommen.«
    »Wie sich jedoch herausstellte, war ich nur leicht betäubt. Die Tatsache, daß ich über und über mit Asche bedeckt war, war wohl der Grund für die allgemeine Besorgnis«, bemerkte Victoria.
    »Sie sahen grau wie der Tod aus, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Miss Huntington.«
    »Ja, der Effekt war recht spektakulär, nicht wahr? Nun denn, man sollte nicht allzu viel über vergangenen Ruhm nachdenken. Es gibt viel zu viele neue und aufregende Wunder der Natur, die darauf warten, ergründet zu werden. Wollen wir mal sehen, was meine Tante heute abend treibt.«
    Rathbone beobachtete, wie ein Page die Tür zur Bibliothek öffnete, wobei sein Gesichtsausdruck deutlich zeigte, daß er auf ziemlich alles gefaßt war.
    Doch zunächst einmal war überhaupt nichts zu sehen. Die Bibliothek lag in vollkommener Dunkelheit. Selbst das Feuer im Kamin war gelöscht worden. Victoria trat vorsichtig ein, wobei sie vergeblich versuchte, etwas in der tiefen Dunkelheit zu erkennen. Am anderen Ende des Raumes vernahm sie das Geräusch einer Kurbel, an der gedreht wurde.
    »Tante Cleo?«
    Die Antwort war ein leuchtender Bogen blendend weißen Lichts. Er strahlte mitten aus der Dunkelheit heraus und zeigte einen Moment lang deutlich die Umrisse der Menschen, die sich in einem kleinen Kreis mitten im Raum versammelt hatten. Die Anwesenden hielten vor Verwunderung den Atem an.
    Eine Sekunde später erlosch der riesige Funke, und es ertönte lauter Beifall.
    Victoria lächelte in Richtung der offenen Tür, wo Rathbone und der Page standen. »Heute abend brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, versicherte sie ihnen. »Die Mitglieder der Gesellschaft spielen lediglich mit Lord Potburys neuer Elektrizitätsmaschine.«
    »Sehr beruhigend, Miss Huntington«, antwortete Rathbone trocken.
    »Oh, Vicky, meine Liebe, du bist zurück«, klang eine Stimme aus der Dunkelheit heraus. »Hat es dir auf dem Ball bei den Athertons gefallen? Komm herein. Wir sind gerade bei einer Reihe höchst faszinierender Vorführungen.«
    »So scheint es. Ich bedauere, daß ich einige der Vorführungen verpaßt habe. Du weißt, welches Vergnügen mir Experimente mit Elektrizität bereiten.«
    »Ja, ich weiß, meine Liebe.« Der Lichtstrahl, der durch die offene Tür hereindrang, fiel auf Victorias Tante Cleo, als diese hervortrat, um ihre Nichte zu begrüßen. Lady Nettleship war fast so groß wie Victoria. Sie war knapp über fünfzig, und ihr lohfarbenes Haar wies einige elegante Silbersträhnen auf. Sie hatte lebendige Augen und die gleichen munteren, lebhaften Züge, die für die Frauen in Victorias Familie so typisch waren.
    Diese Züge verliehen selbst einer Frau in Tante Cleos Alter eine gewisse Schönheit, auch wenn ein objektiver Betrachter nur wenig wahre Perfektion entdecken konnte. Wie immer war Cleo hochmodisch gekleidet. Der Schnitt ihres pfirsichfarbenen Kleides enthüllte ihre noch immer schlanke Figur.
    »Rathbone, schließen Sie die Tür«, sagte Lady Nettleship energisch. »Der Effekt der Maschine ist in der Dunkelheit weitaus beeindruckender.«
    »Mit Vergnügen, Madam.« Rathbone nickte dem Pagen zu, der die Tür in offensichtlicher Erleichterung schloß, und die Bibliothek lag erneut in tiefster Dunkelheit.
    »Komm herein, komm herein«, sagte Cleo, während sie ihre Nichte am Arm nahm und durch die Finsternis

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