Verlangen
durch Elektrizität wieder zum Leben zu erwecken.
Und das Beste von allem, es war bereits fast Mitternacht. Mit ein wenig Glück würde sie beinahe die ganze Nacht hindurch wach sein, so daß weniger Zeit bliebe für die nervenaufreibenden Träume, von denen sie in letzter Zeit verstärkt heimgesucht wurde. Sie hatte begonnen, diese Alpträume zu fürchten. Ein leichter Schauder durchfuhr sie selbst jetzt, da sie die Erinnerung an den letzten dieser Träume in die hinterste Ecke ihrer Gedanken verbannte. Immer noch sah sie das Messer in seiner Hand.
Nein, heute nacht würden diese Alpträume wenig Gelegenheit haben, sie zu quälen. Wahrscheinlich würde sie erst im Morgengrauen zurück sein. Mit den hellen Stunden des Tages kam sie zurecht. Es war die Dunkelheit, die sie zu fürchten gelernt hatte.
Victoria starrte hinaus in den dunklen Garten und fragte sich, was Stonevale denken würde, wenn er sie in ihrer männlichen Verkleidung sähe.
Die Vorfreude auf sein überraschtes Gesicht reichte aus, um den kleinen, undeutlichen Rest des Entsetzens zu verdrängen, den ihre Gedanken noch trugen.
Lucas beugte sich auf seinem Platz in der Kutsche nach vorn und blickte finster hinaus auf die Schatten in der dunklen Straße. Er war schlechter Laune. »Ich mag diesen Unsinn nicht. Weshalb holen wir Miss Huntington nicht an der Vordertür ab?«
»Das habe ich Ihnen bereits erklärt«, sagte Annabella Lyndwood. »Ihre Tante ist eine äußerst verständnisvolle Person, doch Victoria fürchtet, daß selbst sie einige Zweifel an der Schicklichkeit unserer Pläne für den heutigen Abend hegen könnte.«
»Ich bin froh, daß noch jemand außer mir die Vernunft besitzt, Zweifel zu hegen«, grollte Lucas. Er wandte sich dem anderen Mann in der Kutsche zu. »Lyndwood, ich denke, wir sollten ein paar Vereinbarungen treffen für den Fall, daß wir uns heute abend in der Menge verlieren.«
»Hervorragende Idee«, stimmte ihm Lyndwood bereitwillig zu. Er war offensichtlich erleichtert, Lucas dabei zu haben. »Vielleicht sollten wir dem Kutscher sagen, daß er uns an einem vereinbarten Punkt, etwas abseits des Geschehens, erwarten soll.«
Lucas überlegte rasch und nickte. »Es wird schwierig sein, die Kutsche in die Nähe des Parks zu manövrieren. Um diese Uhrzeit werden viele Menschen unterwegs sein, so daß man nie weiß, was geschehen kann. Sagen Sie Ihrem Kutscher, wenn wir nicht an der Stelle auf ihn warten, an der er uns abgesetzt hat, soll er zwei Straßen vom Jahrmarkt entfernt in der Nähe eines kleines Gasthauses mit Namen Hound’s Tooth auf uns warten.«
Lyndwood nickte, sein freundliches, doch nachdenkliches Gesicht war im tiefsten Schatten verschwunden. »Ich kenne den Ort, und ich denke, meinem Kutscher ist er ebenfalls bekannt. Lassen Sie mich Ihnen bitte nochmals sagen, wie sehr ich Ihre Begleitung heute abend schätze, Stonevale. Wenn die Ladys sich in den Kopf setzen, ein Abenteuer zu bestehen, dann kann ein Mann nicht viel tun, um sie daran zu hindern, nicht wahr?«
»Das bleibt abzuwarten«, sagte Stonevale.
Annabella, in ein modernes blaues Spazierkleid mit passendem blauem Mantel gehüllt, kicherte. »Wenn Sie glauben, daß Sie Victoria davon abhalten können, irgend etwas zu unternehmen, was sie sich in den Kopf gesetzt hat, dann erwartet Sie eine Überraschung, Graf.«
»Miss Huntington hat demnach häufiger derartige Einfälle?«
Annabella gluckste erneut. »Victoria ist niemals langweilig, das kann ich Ihnen versichern. Doch dies ist, glaube ich, ihr erster Ausflug dieser Art. Sie sagte mir, sie habe ihn bereits seit einiger Zeit geplant.«
»Es scheint, als habe Miss Huntington allzu lange der Führung eines Ehemannes entbehrt«, bemerkte Lucas und blickte Annabella finster an, als sich ihr Kichern in lautes Lachen verwandelte. »Habe ich etwas Lustiges gesagt?«
»Miss Huntington beabsichtigt, ihr Leben lang auf derartige Führung zu verzichten«, informierte ihn Annabella.
»Ich nehme an, sie fürchtet, wegen ihres Vermögens geheiratet zu werden«, sagte Lucas vorsichtig. Er wollte Informationen, doch wollte er allzu viele Fragen nach seinen Motiven vermeiden.
»Sie fürchtet die Ehe im allgemeinen«, entgegnete Annabella, und ihr Lachen erstarb. »Innerhalb ihrer eigenen Familie hat sie nur sehr traurige Beispiele für den Stand der Ehe kennengelernt. Und natürlich hat die Tatsache, daß sie über Jahre hinweg permanent wegen ihrer Erbschaft umworben wurde, jeglichen Wunsch nach Ehe und
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