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Verlangen

Titel: Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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zu der kleinen Gruppe führte, die nach wie vor um die Elektrizitätsmaschine versammelt war. »Du kennst alle Anwesenden, nicht wahr?«
    »Ich glaube schon«, sagte Victoria in Erinnerung an den kurzen Blick, den sie einen Moment zuvor auf die Gesichter hatte werfen können. Die Schatten äußerten eine Reihe von Grüßen. Lady Nettleships Besucher waren an kleine Unannehmlichkeiten wie Begrüßungen in tiefster Finsternis gewöhnt.
    »’n Abend, Miss Huntington.«
    »Ihr ergebenster Diener, Miss Huntington. Sie sehen bezaubernd aus heute abend. Bezaubernd.«
    »Angenehm, Miss Huntington. Sie kommen gerade rechtzeitig zum nächsten Experiment.«
    Victoria erkannte diese drei Männerstimmen sofort. Lord Potbury, Lord Grimshaw und Lord Tottingham gehörten zum Kreis der treuen Verehrer ihrer Tante. Lord Potbury war mit seinen fünfzig Jahren der jüngste, und der fast siebzigjährige Lord Tottingham war der älteste in der Runde. Grimshaw, so wußte Victoria, war Anfang Sechzig.
    Solange Victoria denken konnte, hatten die drei Männer ihrer Tante den Hof gemacht. Sie wußte nicht, ob sie anfangs ein ebensolches Interesse an wissenschaftlichen Untersuchungen hatten wie ihre Angebetete, doch mit den Jahren hatten sie zweifellos eine ähnliche Leidenschaft für Experimente und Sammlungen entwickelt wie sie.
    »Bitte fahren Sie mit Ihren Vorführungen fort«, drängte Victoria. »Ich kann nur ein oder zwei Ihrer Demonstrationen beiwohnen, dann muß ich mich wohl zu Bett begeben. Lady Athertons Ball war wirklich recht anstrengend.«
    »Selbstverständlich«, sagte Cleo und tätschelte ihr den Arm.
    »Potbury, weshalb lassen Sie dieses Mal nicht Grimshaw die Kurbel betätigen?«
    »Gern«, sagte Potbury. »Ich muß sagen, es ist etwas anstrengend. Bitte, Grimshaw. Werfen Sie das Ding an.«
    Grimshaw brummte eine Antwort, und einen Moment später war erneut das Knarren der Handkurbel zu vernehmen. Ein Stück Tuch wurde schnell an einem langen Glaszylinder gerieben, bis eine beträchtliche Spannung erzeugt war. Alle Anwesenden warteten gespannt, und zu gegebener Zeit krachte ein weiterer gleißender Lichtblitz los und tanzte über die Schatten. Erneut erfüllten Zufriedenheitsbezeugungen und Freudenrufe den Raum.
    »Ich habe gehört, daß Versuche unternommen worden sind, eine Reihe von Leichen mit Elektrizität wiederzubeleben«, verkündete Potbury der kleinen Gesellschaft.
    »Faszinierend«, sagte Cleo, deutlich entzückt von dem Gedanken. »Was ist dabei herausgekommen?«
    »Die Arme und Beine haben ein paarmal gezuckt, aber nichts Dauerhaftes. Ich selbst habe es mit einem Frosch probiert. Kein Problem, die Glieder ein wenig zum Zucken zu bringen, aber der Frosch war immer noch mausetot. Ich glaube nicht, daß diese Experimente zu brauchbaren Ergebnissen führen werden.«
    »Woher kamen denn die Körper?« fragte Victoria, der es unmöglich war, ihre krankhafte Neugierde im Zaum zu halten.
    »Vom Henker«, sagte Grimshaw. »Woher sonst? Ein respektabler Wissenschaftler kann wohl nicht herumschleichen und Gräber ausrauben, oder?«
    »Wenn es die Körper von Verbrechern waren, denke ich, ist es ebenso gut, daß sie nicht wieder zum Leben erweckt wurden«, stellte Lady Nettleship fest. »Es wäre sinnlos, so viel Zeit und Energie in das Hängen von Dieben und Halsabschneidern zu investieren, wenn diese dann ein oder zwei Tage später wieder quicklebendig herumspringen würden, nur weil jemand das Bedürfnis hatte, mit Elektrizität herumzuexperimentieren.«
    »Nein.« Victoria verspürte bei dem Gedanken an eine derartige Möglichkeit eine leichte Übelkeit. So etwas kam ihren Träumen der letzten Zeit bedrohlich nahe. »Da bin ich völlig deiner Meinung, Tante Cleo. Weshalb sollte man erst versuchen, die Verbrecher loszuwerden, wenn man nicht sicher sein kann, daß sie eines Tages wieder auftauchen.«
    »Da wir gerade von der Schwierigkeit sprechen, Körper für die Experimente zu bekommen - ich muß sagen, daß es bestimmte Menschen gibt, die durch Leichenraub ein nettes Sümmchen verdienen.« Der dunkle Raum konnte den Schauder in Lady Finchs Worten nicht verdecken. »Ich habe gehört, daß die Leichenräuber letzte Nacht erneut in den Außenbezirken der Stadt zugeschlagen haben. Sie haben zwei Körper geraubt, die erst am Morgen zuvor begraben worden sind.«
    »Nun, was erwarten Sie?« fragte Potbury prosaisch. »Doktoren an den chirurgischen Schulen in Edinburgh und Glasgow brauchen etwas zum Aufschneiden. Wie sollen

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