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Verlangen

Titel: Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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smaragdgrünes Kleid schimmerte glitzernd im Licht des Ballsaals.
    Doch es war nicht Isabels ungewöhnliches Äußeres, das Victoria veranlaßte, sie mit einem gewissen sehnsüchtigen Neid zu betrachten. Vielmehr bewunderte Victoria heimlich die Freiheit, die dieser Frau aufgrund ihres Alters und ihres Witwenstandes verliehen war. Eine Frau in Lady Rycotts Position wurde nicht so schnell Gegenstand forschender Überwachung durch die bessere Gesellschaft wie Victoria. Lady Rycott besaß sogar die Freiheit, in diskreten Affären zu schwelgen.
    Victoria war noch nie einem Mann begegnet, mit dem sie eine Affäre hätte beginnen wollen, doch hätte sie schrecklich gern die Freiheit dazu besessen, falls ihr eines Tages der Richtige über den Weg laufen würde.
    »Guten Abend, Lady Rycott.« Victoria sah auf die Frau hinab, die einige Zentimeter kleiner war als sie. »Sind Sie mit dem Grafen bekannt?«
    Isabel schüttelte ihren wohlgeformten Kopf. »Leider wurden wir einander noch nicht vorgestellt. Er hat erst kürzlich Eingang in unsere Kreise gefunden, obgleich ich hörte, daß er an den Spieltischen in den Clubs bereits seit einiger Zeit aktiv ist.«
    »Ich habe dasselbe gehört«, sagte Annabella. »Bertie sagt, der Mann ist ein hervorragender Spieler. Äußerst kaltblütig.«
    »Wirklich?« Isabel warf einen Blick quer durch den Saal und fixierte den Grafen, der sich nach wie vor mit Lady Atherton unterhielt. »Er ist nicht hübsch, nicht wahr, und trotzdem hat er etwas Faszinierendes an sich.«
    Hübsch? Bei der Verwendung eines solch faden Ausdrucks für die Beschreibung Stonevales hätte Victoria in lautes Gelächter ausbrechen mögen. Nein, er war nicht hübsch. Sein Gesicht war streng, gar rauh, mit einer Nase gleich einer scharfen Klinge, einem hervortretenden Kiefer und diesen grauen Augen von unerbittlicher Wachsamkeit. Sein Haar hatte die Farbe eines mondlosen Nachthimmels, mit silbernen Fäden an den Schläfen, doch nichts davon berechtigte zu der Bezeichnung hübsch. Wenn man Stonevale betrachtete, sah man ruhige, kontrollierte, männliche Stärke, keinen feinen Dandy.
    »Sie müssen zugeben«, sagte Annabella, »daß ihm seine Kleidung sehr gut steht.«
    »Ja«, stimmte Isabel sanft zu. »Seine Kleidung steht ihm hervorragend.«
    Victoria mochte den abschätzenden Blick nicht, mit dem Isabel den Grafen musterte, doch war nicht zu leugnen, daß Stonevale einer dieser seltenen Männer war, die nicht durch die eleganten Anzüge beherrscht wurden, die derzeit so modern waren. Seine kräftigen Schultern, die flachen Hüften und wohlgeformten Schenkel brauchten weder Polster noch Kaschierung.
    »Vielleicht erweist er sich als amüsant«, sagte Isabel.
    »Ja, gewiß«, stimmte Annabella fröhlich zu.
    Victoria warf der großen, dunklen Gestalt neben Lady Atherton einen erneuten Blick zu. »Amüsant ist vielleicht nicht ganz das passende Wort.« Gefährlich war das passende Wort.
    Doch plötzlich war Victoria bereit, sich auf diese prickelnde Gefahr einzulassen. Das gesellige Treiben der besseren Gesellschaft, das sie seit kurzem mehr und mehr brauchte, um die langen Abendstunden auszufüllen, genügte ihr nicht mehr. Sie brauchte etwas anderes, um die endlosen Alpträume in Schach zu halten.
    Vielleicht bot der Graf von Stonevale genau die Erfrischung, nach der sie gesucht hatte.
    »Liebster Lucas, welchen Eindruck hattest du von ihr? Ist sie die Richtige?« Lady Atherton blickte zu ihm auf, einen Anflug von Aufregung in ihren schönen, sanften Augen.
    »Ich denke, sie ist genau die Richtige, Jessica.« Lucas nippte an dem Champagnerglas in seiner Hand und ließ seine Augen über die Menge wandern.
    »Ich weiß, sie ist etwas alt.«
    »Ich bin selbst etwas alt«, entgegnete er trocken.
    »Unsinn. Vierunddreißig ist ein hervorragendes Alter für einen Mann, der die Absicht hat zu heiraten. Edward war dreiunddreißig, als ich ihn heiratete.«
    »Ja, tatsächlich, nicht wahr?«
    Jessica Athertons Augen waren sofort erfüllt mit tiefer Reue. »Lucas, es tut mir leid. Wie unbeholfen von mir. Du mußt wissen, daß ich dich nicht verletzen wollte.«
    »Ich werde es überleben.« Endlich entdeckte Lucas Victoria in der Menge. Er ließ seinen Blick auf seinem anmutigen Opfer ruhen, während sie mit einem plumpen, ältlichen Baron die Tanzfläche betrat. Offensichtlich tanzte Victoria gern, obgleich sie sich bei ihrer Partnerwahl auf sehr junge, gesellschaftlich unerfahrene oder aber auf Männer zu beschränken schien,

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