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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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nein, ich hatte ja keine Ahnung! Ich bin so dumm. Aber ich kann es dir nicht erklären.«
    Sagan ging zu dem Picknicktisch und setzte sich. Ich folgte ihm.
    »He, ich hab etwas sehr Dummes gemacht«, begann ich noch einmal. »Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Ich hatte eine ziemlich … schwierige Nacht.« Ich zog mein T-Shirt hoch, um ihm den Bluterguss zu zeigen, aber er schien sich nicht dafür zu interessieren. »Aber jetzt geht es mir wieder gut.«
    »Du hast es abgestellt.«
    »Ja.«
    »Du willst offensichtlich, dass etwas passiert.« Endlich blickte Sagan mir wieder in die Augen.
    »Hältst du mich für lebensmüde oder was? Meinst du, mir macht das Spaß?«
    »Ich weiß nicht, was du tust. Du erzählst mir ja nichts.«
    »Lass uns etwas zu essen besorgen. Dann geht es uns beiden besser.« Ich griff nach seinem Arm, doch er zog ihn weg.
    »Nein.«
    »Was?«
    »Ich habe Nein gesagt. Weißt du, dass ich kurz davor war, meinen Vater hier rauszuholen? Den Sicherheitsdienst anzurufen?«
    »Du hast gesagt … das würdest du nicht tun. Das hast du mir versprochen.«
    »Ich weiß, aber es war dumm, so etwas zu versprechen. Wenn du zu … b… zu borniert bist, um auf dich selbst aufzupassen, dann muss es jemand anders für dich tun.«
    Ich sah ihn eindringlich an. Er wich meinem Blick aus. »Fast hättest du ›blöd‹ gesagt, stimmt’s? Fast hättest du mich als blöd bezeichnet.«
    »Nein.«
    »Ich kann es echt nicht glauben. Du hältst mich für blöd.«
    »Emma, wenn du mir das Wort im Mund umdrehen willst, dann …«
    »Dann was?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sagan erhob sich und ging auf die Tür der Cafeteria zu.
    »Kommst du?«
    Einen Moment blieb ich stehen und ließ ihn absichtlich warten.
    »Ich habe gefragt, ob du kommst«, wiederholte Sagan.
    »Was soll ich dort drinnen?«
    »Gut, dann mach doch, was du willst.«
    »Ich glaube es ja nicht«, rief ich. »Jetzt willst du mich also fallen lassen? Nach allem, was ich durchgemacht habe? Du hast ja keine Ahnung …«
    Er ließ die Schultern hängen. »Ich bin seit drei Uhr morgens auf den Beinen. Ich bin müde, k. o. und ein bisschen genervt.«
    »Und daran bin ich schuld«, fluchte ich. »Wieso bin ich daran schuld?«
    »Jetzt bist du wirklich blöd.«
    Eilig ging er an mir vorbei in Richtung des Solarobservatoriums
    Das gab mir den Rest. Ich holte ihn ein.
    »Weißt du was?«, rief ich, als er gerade die Tür des Observatoriums öffnen wollte. »Diese Sache mit der Mondlandung? Die angeblich 1969 gewesen sein soll. Daran glaube ich nicht. Ich bin mir sicher, dass sie das in Arizona gefilmt haben. Das haben sie in einer englischen Dokumentation gesagt. Alles war inszeniert. Verstehst du mich? Alles erfunden und gelogen.«
    Sagan drehte sich nicht um. Er stand einfach nur mit gesenktem Kopf da und ließ die Arme sinken.
    »Oooh, habe ich die Gefühle des armen, kleinen Astronomen verletzt«, sagte ich. Im selben Moment taten mir meine Worte auch schon leid.
    »Emma«, begann er und sah mich noch immer nicht an. »Du sprichst viel über deinen Großvater. Habe ich dir je etwas von meinem Großvater erzählt?«
    Ich antwortete nicht. Ich wusste, dass ich zu weit gegangen war, und sein ruhiger Tonfall machte mir Angst.
    »Mein Großvater war in den Sechzigerjahren Astronaut im Apollo-Programm. Eines Tages haben sie einen Routinetest am Prüfstand in Cape Kennedy gemacht. Die anderen Astronauten und er trugen ihre Raumanzüge. Eine Art Generalprobe. Doch irgendetwas mit der Verkabelung in der Kapsel hat nicht gestimmt. Funken sprühten, und weil die Luft in der Kapsel fast zu hundert Prozent aus Sauerstoff bestand, brannte sofort alles lichterloh. Ein wahrer Hexenkessel. Es geschah so schnell und war so intensiv, dass sie die Astronauten nicht befreien konnten. Er ist dabei ums Leben gekommen. Er ist in diesem Feuer am Prüfstand gestorben. Konnte sich seinen Traum nie erfüllen. Sah Neil Armstrong niemals auf dem Mond spazieren. Spazierte nie selbst auf dem Mond. Sie haben eine Schule nach ihm benannt, hier in dieser Stadt. Nach meinem Großvater.«
    Noch immer sah ich Sagans Rücken an. Er rührte sich nicht. Ich konnte sehen, wie das Blut langsam aus seinen Fingern wich und sie ganz weiß wurden, weil er sie so fest zu Fäusten ballte.
    Eine Weile sagte ich nichts. Gern hätte ich ihn berührt, doch ich wagte es nicht. Schließlich öffnete ich den Mund. Aber ich hatte nicht viel zu sagen.
    »Das tut mir leid«, flüsterte ich und merkte, dass

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