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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Zeit so komisch war?«, fragte ich schließlich.
    »Du bist also eine von denen, die einen Haufen Anne-Rice-Bücher gelesen haben, und nun willst du ein Vampir sein, damit …«
    »Nein, ich meine es ernst. Ich bin ein Vampir. Nicht aus Spaß, weil ich es toll finde, sondern wirklich.«
    »Du behauptest also … Vampire gibt es wirklich?«
    »Ja«, antwortete ich.
    »Und du sprichst nicht von diesen Gothic-Freaks, sondern von wirklichen, echten Vampiren? Du trinkst also Blut von anderen Leuten, verwandelst dich in eine Fledermaus, kannst fliegen und schläfst in einem schmuddeligen Sarg …«
    »Du hast versprochen, nicht so zu reagieren«, sagte ich. »Du wolltest ernst bleiben.«
    »Ich meine es ernst, Emma«, erwiderte Sagan. »Was erwartest du? Was soll ich deiner Meinung nach sagen?«
    »Ich erwarte, dass du mich für verrückt erklärst. Aber ich bitte dich … Ich flehe dich an, mir zu glauben.«
    »Okay, soll ich ehrlich sein?«
    »Bitte.«
    »Ich hätte dir nicht geglaubt, wenn ich dich nicht die Wand hätte hochgehen sehen. Aber auch so – ich soll ja ehrlich sein – weiß ich nicht, wie ich an etwas wie Vampire glauben soll.«
    »Dann solltest du es besser lernen.«
    »Okay, zeig mir deine Reißzähne«, sagte Sagan und beugte sich zu mir vor.
    »Ich habe keine.«
    »Gut. Aber ich habe dich oft bei Tageslicht gesehen. Ist auch das nur ein Mythos?«
    »Nein, das stimmt schon. Nur gibt es einige Vampireigenschaften, die auf mich nicht zutreffen.«
    Sagan erhob sich. Ich konnte es kaum ertragen, ihn anzusehen. Zwar hatte ich nicht den Eindruck, dass er mir gar nicht glaubte, aber er wirkte niedergeschlagen. Als hätte er etwas verloren, was ihm sehr wichtig gewesen war.
    »Ich weiß, was du denkst«, sagte ich. »Schließlich habe ich dir gesagt, dass du mich für verrückt halten würdest. Immer wieder habe ich dir das gesagt.«
    Sagan hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Unermüdlich ging er auf und ab. Ich glaubte schon, er wolle mir nicht in die Augen sehen. Doch dann wurde mir bewusst, dass es etwas anderes war: Solche Neuigkeiten kann man nicht im Sitzen verarbeiten. Dazu braucht man den ganzen Körper.
    Schließlich schaute er mich wieder an. »Ich glaube nicht, dass du verrückt bist.« Er sprach sehr leise, als wenn er Angst hätte, dass wir belauscht würden. »Vielleicht bin ich verrückt. Denn nichts von dem, was du getan hast, kam mir verrückt vor. Na ja, außer hier draußen zu hausen.«
    »Versuch ruhig zu bleiben«, bat ich ihn.
    »Mach ich doch. Ich bin hiergeblieben. Ich bin nicht gegangen.«
    »Es … es verändert alles, stimmt’s? Als ich es herausgefunden habe, ist mir total übel geworden. Ich war richtig physisch krank. Tagelang. Schon eine Weile geschahen all diese erstaunlichen Dinge mit mir, aber irgendwie stand ich trotzdem noch jeden Morgen auf und dachte mir nicht viel dabei. Ich war nur immer wieder erstaunt. Ich glaube, mit der Zeit bin ich abgestumpft. Doch dann, nachdem mir bewusst geworden war, was dahintersteckte, bin ich so krank geworden, dass ich dachte, ich müsste sterben. Und ich glaube, so war es auch. Die Emma, die ich gewesen bin, ist tot …«
    »Du meinst aber nicht, dass du eine Untote bist? Ein Zombie oder so?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich lebe. Aber das Mädchen, das ich vorher war, ist fort. Na ja, ich bin schon noch da, bin immer noch ich. Aber sobald ich verstanden hatte, stand ich total neben mir. Es war zu viel für mich.«
    Sagan wirkte ebenfalls nicht gerade wie das blühende Leben.
    »Musst du dich übergeben?«, erkundigte ich mich.
    »Nein, bitte versteh mich jetzt nicht falsch, aber ich kann es noch immer nicht ganz glauben. Wie kommst du auf die Idee, ein Vampir zu sein? Abgesehen von deiner Fähigkeit, Wände hochzugehen. Wurdest du von einer radioaktiven Spinne gebissen?« Er grinste, aber es wirkte nicht freundlich.
    »Ich wurde überfallen«, sagte ich. Sein Grinsen war sofort wie ausgelöscht. »Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, weil ich offenbar mittendrin einen massiven generalisierten, einen tonisch-klonischen Anfall erlitten habe. Manchmal hat man danach so eine Art Amnesie und weiß nicht, was passiert ist. In dem Fall hat der Gedächtnisverlust Tage, Wochen angehalten.«
    »Warte mal. Willst du mir damit sagen, dass du unter Epilepsie leidest?«
    »Ein Krampfleiden, ja.«
    Sagan fluchte. »Und mit so einer Krankheit hast du dich die ganze Zeit alleine hier draußen herumgetrieben? Und hast mir nichts davon

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