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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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geschrieben steht?«, fragte ich. »›Medizinbedarf mittlerer Süden, Memphis, Tennessee‹. Haben Sie sie in Memphis mitgehen lassen?«
    Der Spezialist runzelte die Stirn. »Wir bekommen so etwas geschenkt. Von Vertretern. Warte mal.« Er schaltete das Deckenlicht wieder ein. Ich zuckte zusammen. »Dass du das alles im Dunkeln gelesen hast, ist unmöglich. Du musst es vorher gesehen haben. Vielleicht konntest du dich nur nicht mehr bewusst daran erinnern?«
    Schützend legte ich einen Arm über die Augen und senkte den Blick. »Ne, habe ich nicht.«
    »Ist Neonlicht für dich auch unangenehm?«
    »Nicht so sehr wie Sonnenlicht. Nur in dem Moment, in dem es eingeschaltet wird.«
    Er ging zu seinem Schreibtisch und setzte sich. »Versuchen wir es noch einmal.« Abermals schaltete er das Licht aus und ich sah sein eisgraues Haar in der Dunkelheit leuchten, als er die oberste Schreibtischschublade aufzog und eine Heftmaschine herausnahm.
    »Also, was …«
    »Eine Heftmaschine«, antwortete ich. »Modell Swingline. Beige.« Er holte weitere Dinge hervor. »Einen Kreuzschraubenzieher mit einem eckigen orangefarbenen Griff«, zählte ich weiter auf. »Ein graues Mobiltelefon. Eine CD von einer Band namens The Carpenters . Ein Buch über seltene Briefmarken.«
    Der Spezialist fluchte leise. »Entschuldige, es ist nur, dass … gib mir einen Moment. Gut, ich schalte jetzt das Licht wieder an, Emma. Mach lieber die Augen zu.«
    Als ich mich an die Helle gewöhnt hatte, saßen wir uns gegenüber und sahen uns an.
    »Und Sie sind sich sicher, dass es nicht Meningitis ist?«, erkundigte sich meine Mutter.
    »Da keine anderen Symptome vorhanden sind, würde ich Nein sagen.« Der Spezialist nahm seine Brille ab und rieb sich den Nasenrücken. »Ich habe so etwas noch nie erlebt. Und auch noch in keiner Fachzeitschrift darüber gelesen. Und Kollegen würden mir wahrscheinlich nicht glauben, wenn ich ihnen den Fall schildern würde.«
    Die Stimme meiner Mutter klang zittrig. »Aber was sollen wir jetzt tun? Wir haben Ihnen von dem Unfall erzählt. Seitdem ist es so.«
    »Wie ist es genau?«, wollte der Spezialist wissen. »Wie hell ist es? Es muss ziemlich hell sein, wenn du Farben und Buchstaben erkennen kannst. Farben verschwimmen im Dämmerlicht eigentlich ziemlich schnell.«
    Ich überlegte. »Es ist schwer zu beschreiben. Wenn ich eine Weile im Dunkeln war, merke ich kaum noch den Unterschied. Dann vergesse ich, dass das Licht ausgeschaltet ist. Aber wenn es dann wieder angeschaltet wird, ist es wie … wie ein Blitz in meinem Kopf, bis ich mich nach einer Weile daran gewöhne. Auch wenn ich im Hellen war und dann ins Dunkle zurückkomme, merke ich den Unterschied. Es ist schwächer, aber … irgendwie kann ich trotzdem noch alle Einzelheiten erkennen. Wie gesagt, es ist, als würden die Dinge aus sich selbst heraus leuchten.«
    Der Spezialist lächelte und legte gleichzeitig die Stirn in Falten, was ihm einen gequälten Ausdruck verlieh. Die Sache gefiel mir nicht. Ich sah mich bereits in einem Hörsaal vor Hunderten von weiß bekittelten Studenten und Medizinfreaks sitzen, die mir in die Augen leuchteten und fachsimpelten. Die mir die Lider aufhielten, während ich in einem dieser hinten offenen Krankenhaushemden auf einem kalten Stahltisch saß.
    »Gehen wir«, sagte ich zu meiner Mutter. »Ich muss … ich will gehen.«
    Meiner Mutter war mein Verhalten offenbar unangenehm. »Aber der Herr Doktor ist noch nicht fertig, Emma.«
    Der Spezialist wollte etwas sagen, doch ich war bereits auf dem Weg zur Tür. Ich ging, ohne ihn noch einmal anzusehen.
    »Warum … warum musst du bei so etwas immer solche Schwierigkeiten machen? Ich habe langsam genug davon«, jammerte meine Mutter.
    Ich biss ein weiteres Stück von meiner Peperonipizza ab. Mein Gott, zurzeit war ich immer so hungrig. Wir saßen am Rand des Restaurantbereichs in einem Einkaufszentrum, umgeben von Müttern, die ihre Kinder um das dort vorhandene Spielzeug scharten. Ungefähr die Hälfte der Tische war besetzt. Ich mochte das Gefühl von Anonymität, das die Sonnenbrille mir verlieh. So konnte ich Leute anstarren, ohne dass sie es merkten.
    »Du findest also, dass ich schuld bin«, sagte ich und nahm einen weiteren Bissen.
    »Na ja, ich frage mich, wie das alles sein kann. Schließlich warst du es, die auf dem Fußballplatz ausgerastet ist. Du hast das Auto gestohlen und es in einen Graben gefahren.« Ihr versagte die Stimme. »Was soll man da sagen? Und

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