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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Lenas Biss an meinem Hals. Dank der vampirischen Heilkräfte war die Wunde gut verheilt, aber ich konnte die Stelle noch spüren.
    »Ja«, sagte ich und musste schlucken.
    Lena nickte und sah die anderen an. »Ihr Blut hat eine große Anziehungskraft. Es ist so voller Sonne, selbst jetzt. Ich kann euch nicht genug davor warnen. Ich hatte nicht vor, von ihr zu trinken, als ich ihr die Besonderheiten der gorge zeigen wollte, aber …«
    »Wir kommen schon damit zurecht«, erwiderte Donne angewidert. »Bringen wir es hinter uns.«
    Sie kommen zurecht , dachte ich. Aber was ist mit mir?
    Der Mond stand hoch am Himmel. Dennoch hielt Sagan eine Taschenlampe in der Hand. Er kam damit zu uns herüber. Die Helligkeit ließ uns vier blinzeln.
    »Wartet mal kurz«, sagte er. »Ihr werdet sie nicht … beißen?«
    »Nein«, versicherte Lena. »Es genügt, wenn wir nah an ihrer Kehle sind.«
    »Lass uns das mal in Ruhe durchdenken. Was ist, wenn ihr euch nicht mehr kontrollieren könnt? Dann kann ich nichts tun, um sie von euch zu befreien, oder?«
    »Leider nein«, sagte Anton zwinkernd. »Aber ich verspreche es: Ich trinke nicht einen Tropfen!«
    »Emma, du musst das nicht tun.« Sagan sah mich an. »Sicher finden wir noch einen anderen Weg …«
    »Es gibt keinen anderen Weg«, sagte Lena ermattet und klang plötzlich nach dem, was sie war, eine Frau, die seit mehr als 150 Jahren am Leben war, bevor Sagan überhaupt geboren wurde. »Wenn sie wirklich ein Auge ist, werden wir sehen können, was sie sieht. Bitte vertrau uns einfach. Nur die soleils sind dazu in der Lage, die perdus haben nicht genug Willenskraft.«
    »Das wird schon gut gehen«, beruhigte ich ihn, nahm seine Hand und drückte sie kurz.
    »Können wir jetzt endlich anfangen?«, rief Donne ungeduldig. »Wenn das so weitergeht, sind wir noch die ganze Nacht hier zugange.«
    »Gut«, sagte Lena. »Emma, bitte verhalte dich so still, wie du kannst.«
    Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter, hielt den Kopf so ruhig wie möglich und zwang mich, ruhiger und tiefer zu atmen. »Ich bin bereit«, teilte ich ihnen mit.
    Lena trat dicht an mich heran. In der erhobenen Hand hielt sie Donnes X-Acto-Messer. Sie legte die Klinge auf die Narbe an meinem Hals und öffnete die Wunde mit einer schnellen Bewegung, die mich zusammenzucken ließ. Ich spürte das warme Blut über meine Haut laufen.
    Lena legte das Messer ab und die drei Vampire bildeten einen Kreis um mich herum. Sie schlossen die Augen. Ihre Gesichter waren weniger als 30 Zentimeter entfernt.
    »Das Zentrum deines champs wird mit dem Öffnen deiner gorge und dem Fließen deines Bluts freigegeben«, sagte Lena leise. »Wenn dein Blut fließt, fließt auch dein champ . Wir gieren nach deinem Blut und mit uns werden auch unsere champs angezogen. Unsere vier champs vereinen sich zu einem und wir sehen, was du siehst.«
    Noch immer hatte sie die Augen geschlossen. Ich kam mir ein wenig komisch vor, als würde ich an einem seltsamen Sektenritual teilnehmen. Besonders, weil Sagan zuschaute.
    Ich versuchte, nicht auf ihn zu achten. »Gut, was soll ich tun?«
    »Du tust genau das, was du getan hast, als du in den perdu , in Moreau, hineingeschlüpft bist«, antwortete Lena.
    Mir wurde immer unwohler, da ich stark bezweifelte, dass es mir gelingen würde, wenn sie alle um mich herum waren. »Ich weiß nicht, ob es klappt, aber ich gebe mein Bestes.«
    Ich spürte das Blut auf meinem Hals und hatte das dringende Bedürfnis, es abzuwischen. Es lief mir bereits in den Kragen. Doch ich widerstand und legte die Hand stattdessen auf mein Bein. Mit gleichmäßigen Bewegungen begann ich durch die Hose hindurch über die Narbe zu streichen. Dazu sagte ich die Worte: »Bring mich zu Moreau.«
    »Nein.« Lena schlug die Augen auf. »In die gorge . Die Kehle.«
    »Ach ja, stimmt.« Ich schloss den Mund und begann in meine Kehle zu sprechen. Das vertraute Gefühl begann sich einzustellen, doch heute kam es mir albern vor.
    Bring mich zu Moreau. Bring mich zu Moreau. Bring mich zu Moreau.
    Immer schneller strich ich über die Narbe, doch es ging nicht weiter.
    »Vielleicht bin ich zu gehemmt«, sagte ich.
    »Du kannst es«, sprach Lena mir Mut zu. »Nicht aufgeben.«
    »Vielleicht sollte ich mich hinsetzen.«
    »Stehen ist besser«, erwiderte Lena. »Sitzen behindert den Fluss.«
    »Okay.«
    Bring mich zu Moreau. Bring mich zu Moreau. Bring mich zu Moreau.
    Statt die Augen zu schließen, sah ich Sagan an. Er wirkte sehr besorgt.

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