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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Schlafzimmer geschleppt, um ihr dort das Genick zu brechen. Es fühlte sich an, als wäre ich es gewesen, die sie umgebracht hätte. Und nicht Moreau. Deshalb war es so …«
    »Anhalten«, rief Anton.
    »Was?«, empörte sich Sagan.
    »Sofort anhalten. Jetzt!«
    Wir saßen auf der Bank eines McDonald’s-Parkplatzes. Die soleils hatten Sagan gebeten hineinzugehen. Durch die Scheibe konnte ich ihn einen Burger essen sehen. Mit besorgtem Blick winkte er mir zu.
    »So muss es sein«, begann Anton. »Jetzt macht es wirklich Sinn.«
    »Aber es gab so wenige …« Lena schien nicht überzeugt.
    »Ich glaube es erst, wenn ich es sehe«, entschied Donne. »Das soll kein Wortspiel sein.«
    »Ich habe keine Ahnung, worüber ihr sprecht«, sagte ich.
    »Anton glaubt, dass du ein œil bist«, erklärte Donne und verdrehte die Augen.
    »Was ist ein œil ?«
    »Ein œil , Emma, ein Auge «, sagte Lena. »Das heißt, du kannst durch die Augen eines anderen Vampirs sehen.«
    »Ist das gut?«, fragte ich. »Ich dachte, alle Vampire – ich meine, alle von uns – könnten das. Aber anscheinend habe nur ich diese Fähigkeit zufällig mitbekommen. Das ist wohl auch eine Form das champ zu nutzen?«
    »Oh ja, ganz recht, das champ «, bestätigte Anton. »Durch das champ wird diese Sehfähigkeit übertragen. Aber nicht alle von uns haben sie. Ich habe noch nie ein Auge persönlich gekannt. Wir wussten davon nur aus Lenas Erzählungen.«
    »Es ist eine sehr seltene Gabe«, bestätigte Lena. »Sein essentiel , seinen Geist ins champ zu schicken und an einen anderen Ort zu projizieren, ist eine Sache … aber in jemand anderen hineinzuschlüpfen … das ist sehr selten. Doch die größte Gabe eines Auges ist nichts Körperliches, sondern die Fähigkeit, tiefer zu schauen. Du hast Zugang zum Kopf der Person, in die du eindringst, zu ihren ureigensten Bestrebungen, Meinungen und Geheimnissen. Ein wahres Auge kann in andere hineinschauen und sehen, ob jemand in seinem tiefsten Inneren ein perdu oder ein soleil ist.«
    »Aber ich konnte seine Gedanken nicht nur lesen«, sagte ich. »Ich hatte seine Gedanken. Seine Gier, seine Lust, seine Grausamkeit. Ich wollte diese Frau, die er getötet hat. Ich wollte sie so sehr.« Ihr Blut, ihren Körper. Ihren Tod.
    »Bist du dir sicher, dass du es so erlebt hast?«, wollte Lena wissen. »War es nicht doch eher ein Traum oder eine Einbildung?«
    »Na ja, bislang ist es mir nur einmal gelungen, aber es war sicher kein Traum. Es war vollkommen real. Zu real.« Plötzlich kam mir ein schrecklicher Gedanke. »Heißt das, Moreau hat umgekehrt die ganze Zeit durch meine Augen …«
    »Oh nein, er ist kein œil «, beruhigte mich Lena. »Darauf würde ich mein Leben verwetten. Er kann durch l’essentiel kommunizieren, aber durch die Augen eines anderen zu sehen, nein, das übersteigt seine Fähigkeiten. Bei den perdus ist es besonders selten. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt je von einem gehört habe …«
    » La Mangeuse «, warf Donne ein. »Hast du sie vergessen?«
    »Ja, natürlich«, erwiderte Lena. »Sie hat diese Fähigkeit. So ist sie auch zur Anführerin geworden.«
    »Diese Gabe ist also selten?«, vergewisserte ich mich.
    »Sie kommt vielleicht einmal in hundert Jahren vor«, meinte Anton. »Im Krieg hätten wir dich gut gebrauchen können! Sie waren uns immer voraus, wussten alles, was wir vorhatten.«
    Ich sah Lena an. »Bedeutet das, dass ich sicherer bin, als ich geglaubt habe?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Im Gegenteil, für dich ist es viel gefährlicher, als wir angenommen hatten.«
    »Warum?«
    »Die Fähigkeiten eines Auges sind ein zweischneidiges Schwert. Du musst es dir so vorstellen: Was leuchtet heller und ist leichter zu finden? Ein Leuchtturm auf einem Hügel oder eine Laterne im Wald?«
    »Und ich bin ein Leuchtturm?«
    »Vom champ aus gesehen, ja«, bestätigte Lena.
    »Weshalb Moreau dich leichter finden kann«, meldete sich Anton zu Wort. »Du stichst heraus.«
    »Und was soll ich jetzt tun?«, fragte ich.
    »Du bist das Auge «, antwortete Donne. »Was siehst du?« In ihrer Stimme schwang unüberhörbar Hohn mit.
    »Ich weiß etwas«, sagte Lena leise.

26
    Todesort
    »Bist du dir sicher, dass du es tun willst?«, fragte Lena mit besorgter Miene.
    Zurück am Steinhaus-Hotel saßen die drei soleils im Kreis um mich herum. Mir war klaustrophobisch zumute. Sagan saß nicht weit von uns entfernt und wirkte nervös.
    Ich fühlte nach den Spuren von

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