Verletzlich

du nicht, dass diese Details für uns ziemlich wichtig sind? Welche Geheimnisse hast du noch?«
    »Keine, das war’s.«
    »Und warum sollten wir dir das glauben?«
    »Gut«, seufzte ich. »Ich entschuldige mich dafür, dass ich nicht von Anfang an alles erzählt habe. Aber wollt ihr die Wahrheit wissen? Ich hatte Angst … Angst, dass ihr mich nicht so akzeptieren würdet, wie ich bin.« Ich ließ den Blick von einem zum nächsten wandern. »Ich brauchte euch und habe befürchtet, dass ihr mich fortgejagt hättet … oder schlimmer noch.«
    »Wie kommst du darauf, dass wir es jetzt nicht mehr tun?«, wollte Donne wissen.
    »Und was bedeutet das nun?«, wechselte Anton das Thema. »Was bist du?«
    »Ich habe eine Theorie«, antwortete ich. »Ich glaube, man könnte mich als Halbvampir oder als Halbmensch bezeichnen.«
    »Du kannst also bei Tageslicht rausgehen?«, fragte Donne ungläubig.
    »Ja.«
    »Und du trinkst kein Blut?«
    »Nein, nur das eine Mal.« Niemand lächelte.
    »Und das sollen wir dir glauben, Frischling?«
    Ich griff nach Sagans Arm. »Ich habe ihn mit euch zusammengebracht. Wenn das kein Vertrauensbeweis ist«, sagte ich verlegen.
    Ich hoffte auf Lena, die bislang geschwiegen hatte. Jetzt trat sie näher.
    »Für Anton und Donne kann ich nicht sprechen«, sagte sie. »Aber für mich hat sich nichts geändert. Ich kann verstehen, warum du so gehandelt hast, Emma, aber Donnes Bedenken kann ich auch nachvollziehen. Obwohl du nur ein Halbvampir bist, wie du sagst, bist du auf jeden Fall ein œil , vielleicht das Kraftvollste, dem ich je begegnet bin.«
    »Stellt euch nur mal vor. Sie kann bei Tageslicht rausgehen«, schwärmte Anton, »die Vorteile sind doch unglaublich.«
    »Du hast Recht, sie ist nicht den gleichen Gefahren ausgesetzt wie wir«, gab Donne zu. »Aber es ist noch mehr, Anton. Wenn Moreau ihr nicht auf den Fersen wäre, könnte sie ganz normal mit ihnen leben.« Vorwurfsvoll zeigte sie in Richtung Sagan.
    »He, was habe ich dir getan?«, fragte er lächelnd.
    Aufgebracht fuhr Donne herum. »Was du nicht getan hast, meinst du? Wann hast du oder haben Leute wie du sich je verstecken müssen? Wann habt ihr nicht den ganzen Planeten unter eurer Kontrolle gehabt? Wann …«
    »Du hast doch gesagt, sie wären auch Menschen«, sagte Sagan an mich gewandt.
    Donne warf sich auf ihn und ich warf mich daraufhin auf sie. Mit Sagan zwischen uns stießen wir zusammen.
    »Es reicht!«
    Lena trennte uns.
    »Lasst uns nicht das eigentlich Wichtige vergessen«, sagte Lena, als sich alle ein wenig beruhigt hatten.
    »Was denn?«, fragte ich.
    »Was ihr beiden vorhabt, wenn die Sonne aufgegangen ist.«
    »Ach, Moreau im Schlaf zu überwältigen, meinst du?«
    Lena wirkte besorgt. »Ich kann euch gar nicht sagen, wie gefährlich das ist. Vielleicht nicht für dich persönlich …«
    »Für mich persönlich? Er will mich persönlich umbringen. Das kann man ja wohl als gefährlich bezeichnen«, rief ich aufgebracht.
    »Du verstehst mich falsch«, erwiderte Lena. »Ich spreche von den soleils im Allgemeinen. Du weißt, wie ich darüber denke, die perdus zu reizen.«
    »Sie sind Monster. Wenn du weiter vor ihnen davonläufst, weißt du, was dann passiert?«
    »Wir haben keine Wahl«, antwortete sie.
    »Ich auch nicht.«
    Als wir zum Raumfahrtzentrum zurückfuhren, drückte ich ein Taschentuch, das Sagan mir gegeben hatte, auf den Schnitt an meinem Hals.
    »Das war eine sehr, sehr seltsame Nacht«, stellte Sagan fest und tätschelte mein Bein.
    »Das kannst du wohl laut sagen«, sagte ich.
    »Das war eine sehr, sehr …«
    »Blödmann.« Ich schlug ihm auf den Arm, lächelte aber dabei. »Und was sollte dieser ›Du hast doch gesagt, sie wären auch Menschen‹-Spruch?«
    Kurz ließ er das Lenkrad los und streckte sich. »Ich wollte die Sache nur ein wenig auflockern. Wie geht es dir jetzt?«
    »Guck auf die Straße. So weit ganz gut. Aber ich habe Angst.«
    »Ich auch«, sagte Sagan. »Glaubst du, dass Lena recht hat?«
    »Über so etwas denke ich mitten in der Nacht nicht gerne nach?«, antwortete ich. »Zu unheimlich.«
    »Jetzt mal ganz im Ernst, willst du das am Morgen wirklich machen?«, fragte er. »Bei einem Toten einbrechen und einen Vampir umbringen?«
    »Du nicht?«
    Er schwieg, während ich auf die Straßenmarkierungen starrte, die unter dem Jeep verschwanden. »Magst du sie?«, erkundigte ich mich. »Die soleils? «
    Sagan fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Vampire. Was soll man an denen