Verletzlich
vibrierte ein wenig, als sich der Mann bewegte. Mit so einer Verletzung konnte man nicht am Leben sein. Doch er war es.
Er nahm meine Arme und drückte sie mühelos in den feuchten, weichen Boden. Dann schob er sein Gesicht noch näher an mich heran. Lächelnd öffnete er den Mund und sagte etwas, was ich nicht verstand. Es klang wie Französisch.
»Donnez-moi votre vie.«
Sein Atem stank nach verrottendem Laub. Für einen grausamen Moment fürchtete ich, er würde mich küssen.
Doch im nächsten Moment spürte ich die aufgesprungenen Lippen des Mannes über meine Wange wandern und dann weiter an meinen Hals streichen. Vergewaltigung. Ich werde vergewaltigt , dachte ich.
Für einen Augenblick muss er die Konzentration verloren haben, denn es gelang mir, einen Arm zu befreien. So kräftig, wie ich konnte, schlug ich ihm ins Gesicht. Der Kopf des Mannes wurde nach hinten geschleudert und er heulte zornig und überrascht auf.
Dann holte er aus und traf mich so hart, dass ich Sterne sah. Außerdem hörte ich ein Knacken im Nacken und spürte etwas wie einen Stromstoß hinter dem Ohr. Ich fürchtete, mein Genick wäre gebrochen, und bemühte mich bei Bewusstsein zu bleiben. Heftig blinzelnd unterdrückte ich die Tränen, die mir in die Augen schossen.
»Quel provocation, vous « , fluchte der Mann und war so in Rage, dass er spuckte. »Wie kannst du es wagen.«
Im nächsten Moment hieb er mir mit so viel Schwung auf die Brust, dass es mir den Atem nahm, während ich in den Waldboden gepresst wurde. Er drehte sich um und begann an der Hose meines Trikots zu reißen.
Plötzlich hatte ich das beklemmende Gefühl, in meinen Körper würde etwas hineindrängen. Ich wusste sofort, was es war: mein eigener Tod. Eine Art Vorahnung darauf. Ich trat in einen neuen Bereich ein, aus dem ich nie mehr würde zurückkehren können. Wild begann ich um mich zu schlagen und zu treten, mich zu winden, zu kratzen und zu boxen, auch wenn ich wusste, dass es nicht helfen würde. Vielmehr schien es die Sache noch zu verschlimmern.
»Ich hätte dich in Ehren gehalten«, brummte der Mann, während er mich mühelos hinunterdrückte. Sein Gesicht hatte er nach wie vor abgewandt, als wollte er mir nicht mehr in die Augen schauen. »Aber wenn du so mit mir umgehst, wenn es das ist, was du willst, dann ist dies hier meine Antwort.«
Tief senkte er die Zähne in meinen Oberschenkel und begann die Haut abzureißen. Ich schrie. Ich schrie immer weiter und warf mich hin und her, während der Mann weiter an meinem Bein zerrte. Der Schmerz war unbeschreiblich. Doch er war nichts im Vergleich zu dem, was er danach tat.
Sobald mein Bein offen war und Blut aus meiner Arterie ins Laub spritzte, legte der Mann den Mund um die Wunde und begann zu trinken.
Ich habe keine Ahnung, wie lange er trank. Ich war zu geschockt, um zu denken, zu geschockt, um anders als mit animalischen Instinkten zu reagieren. Der Mann hielt meinen Kopf hoch, sodass ich zusehen musste, wie er saugte und schluckte. Von dem Anblick seines sich hebenden und senkenden Mundes, seiner aschgrauen Zähne mit meinem Blut darauf und seiner blutbespritzten Wangen wurde mir kotzübel. Dazu das Schlürfen und Schmatzen …
Warum ich meine Augen nicht geschlossen habe, weiß ich nicht, aber es ging nicht. Nach einer Weile hatte ich das Gefühl zu fallen. Aber nicht mit meinem Körper, sondern in meinen Körper. Als wenn ein Teil meines Lebens oder meines Geistes sich gelöst hätte und in mich hinein, ins Bodenlose fiele. Dieser Mann, diese Kreatur würde von mir trinken, bis ich tot wäre. Ich weiß noch, wie ich meine nackten Füße, meine schmutzigen Zehen gesehen habe. Dieser Moment war der schlimmste. Ich hatte das Gefühl, mich selbst im Stich gelassen zu haben, und schämte mich, dass ich es zuließ. Ich hätte es irgendwie stoppen müssen. Ich war selbst schuld …
Meine Welt füllte sich mit Licht.
War’s das? Sah so mein Tod aus? Diese Atomexplosion in meinem Kopf. Was auch immer es gewesen sein mochte, es brachte mich fort von diesem Ort; ich konnte jetzt auf die Erde hinabschauen. Irgendwie war ich frei. Ich konnte meinen Körper dort unter mir am Bach sehen. Der Lichtkegel der Scheinwerfer leuchtete über mein blutiges Bein. Der Mann war noch immer auf mir und trank. Und dann folgte … nichts. Eine Entladung des Nichts.
Dann begann das Nichts zu verschwinden. Barfuß war ich auf einer Landstraße unterwegs, hielt mir mit der Hand die pochende Wunde und zog mein
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