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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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den Schlafanzug. Langsam richtete ich mich ein wenig auf, griff in den Wärmer und schnappte mir zwei Würstchen. Noch bevor der Zwiebeln schneidende Koch die Klinge wieder senken konnte, hatte ich sie gegessen. Sie schmeckten so köstlich, dass mir Tränen in die Augen schossen. Ich stahl noch zwei weitere und verschlang sie.
    Jetzt war ich wieder durstig. Kein Problem: Ich bediente mich einfach an dem Automaten.
    Irgendwie war es komisch. Jedes Mal, wenn ich auf den Knopf drückte, um den Becher mit Orangenlimonade zu füllen, blickte der Koch, der mit Zwiebelschneiden beschäftigt war, von seiner Arbeit auf. Doch bis dahin war meine Hand längst wieder verschwunden. Nach einigen Anläufen war der Becher voll. Als der Koch schließlich sein Messer ablegte, um der Sache nachzugehen, war ich bereits verschwunden.
    Gut, Kost und Logis wären geklärt, fürs Erste zumindest. Jetzt musste ich mich an die Arbeit machen. Bis zum Dunkelwerden hatte ich noch mehrere Stunden Zeit. Ich lief um das Minenfeld herum, wünschte, ich hätte Schuhe, und rannte dann schnurstracks zur nächsten Straße.
    Höchste Zeit ein wenig shoppen zu gehen.

8
    Ungewöhnliche Massnahmen
    »Ungewöhnliche Zeiten verlangen ungewöhnliche Maßnahmen«, war einer der Lieblingssprüche meines Großvaters.
    In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie etwas gestohlen. Keinen Kaugummi und nicht einmal eine Weintraube aus der Obstabteilung im Supermarkt. Okay, die Hotdogs . Genau wie mein Großvater hatte ich Diebe immer für die allerletzten Schweine gehalten. Jetzt stand ich im Baumarkt in dem Gang, wo es Elektrowerkzeuge gab, und war kurz davor, ein mittelschweres Verbrechen zu begehen.
    Mein Großvater besaß aus seiner Dienstzeit bei der Armee mehrere Waffen, aber er zeigte sie mir nicht. »Du bist eine jeune fille «, sagte er dann immer schulterzuckend. Er ließ mich zuschauen, wenn er mit seiner Kleinkaliberpistole in der Senke hinter den Apfelbäumen Dosen abschoss, aber das war auch alles. »Junge Damen brauchen solche Dinge nicht zu wissen.«
    Vielleicht hatte er Recht; wahrscheinlich war ich eher ein Nahkampftyp.
    Ich wusste also nichts über Waffen oder Selbstverteidigung. Mehr als meine bloßen Fäuste hatte ich nie gebraucht. Bislang .
    Ich hatte einen Einkaufswagen voll beladen mit einer großen Kettensäge, einer Akku-Nagelpistole, einer Rolle Draht, Nylonschnur, einem 20-Liter-Eimer Schwimmbad-Chlor, einem 30 Meter langen Seil, einer Schaufel, einem Zimmermannsgürtel, einer Luftmatratze, einer Handpumpe, flüssiger Seife, einem Akkuladegerät, Spannriemen, einem kleinen Generator, einem 20-Liter-Benzinkanister, einer Axt, der größten Gartenhacke, die ich hatte finden können, sowie zahlreichen Kleinigkeiten von Gewebeband über Nägel bis zu Wetzsteinen.
    Wenn ich daran dachte, was ich vorhatte, wurde mir angst und bange. Aber das war gut so. Denn wenn ich Angst hatte, wurde ich wütend. Und wenn ich wütend war, war ich zu allem Möglichen fähig.
    »Wo haben Sie Schenkelschneider?«, fragte ich einen Verkäufer in orangefarbenen Latzhosen – einen ungefähr sechzig Jahre alten, unsauber wirkenden Mann mit dicker Brille und aufgequollener Nase. Er sah mich abschätzig an: »Winkelschneider meinen Sie?«
    »Ja natürlich. Winkel. Stimmt.« Das war wohl das, was meine Mutter als »Freud’schen Versprecher« bezeichnet hätte.
    Der Verkäufer musterte mich mit hochgezogenen Brauen in meinem Schlafanzug und den Gummistiefeln, die ich mir kurz zuvor aus einem Regal genommen und direkt angezogen hatte. He, du hast ja keine Ahnung, was die Jugend von heute so trägt, hätte ich am liebsten gesagt. Nach der Nacht in der Betonröhre fühlte ich mich allerdings selbst ziemlich unsauber. Nicht zuletzt deshalb hatte ich mir ausgerechnet einen Baumarkt ausgesucht. Weil man dort in jedem Aufzug hingehen konnte, ohne dass sich jemand darum scherte.
    Der Mann ging mit mir in den entsprechenden Gang. Der Winkelschneider war ein Handgerät mit einer runden Diamantscheibe wie bei einer kleinen Kreissäge. Ich fand, er lag gut in der Hand.
    »Das Teil ist echt brutal. Damit bekommt man alles durch, von Beton bis zu Fliesen«, erklärte der Verkäufer. »Damit müssen Sie wirklich vorsichtig sein, sonst ist der Finger ab. Was wollen Sie denn bauen?«
    »Einen Verteidigungsturm«, antwortete ich und schob mit dem Wagen hastig davon, bevor er mir weitere Fragen stellen konnte.
    Kurz hatte ich darüber nachgedacht, in ein Waffengeschäft einzubrechen

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