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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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verletzt.«
    »Alles in Ordnung? Ich habe dich gesehen. Du bist durchs Fenster gesprungen! Ich verstehe das alles nicht! Egal … egal, was los ist, wir kümmern uns darum! Es tut mir so leid. Ich weiß, dass ich nicht immer die beste Mutter war.«
    »Mom, du hast nichts falsch gemacht. Ich bin das Problem, ich ganz allein. Aber ich habe nichts angestellt. Ich meine, ich habe nichts verbrochen! Außer das mit dem Fenster, aber das war nicht meine Schuld, ich musste es tun. Ich hatte keine Wahl. Ich hatte Angst. Wenn ich auch nur eine Sekunde länger geblieben wäre …«
    Ich wusste nicht, wie ich den Satz beenden sollte. Was ich sagte, ergab keinen Sinn, sondern machte die Sache nur noch schlimmer. Aber ich konnte ihr die Wahrheit nicht sagen, das war unmöglich. Sie flehte mich an, ich solle ihr alles erklären, und ich musste erneutes Schluchzen ertragen. Zum Schluss drückte ich mir den Hörer aufs Bein, weil ich Angst hatte, die Verkäuferin würde uns in dem anderen Raum sonst hören.
    »Mom, kannst du bitte kurz zuhören. Nur eine Sekunde, bitte Mom, könntest du …«
    »Ich habe die Polizei angerufen. Du machst mich wahnsinnig«, rief sie. »Bitte komm nach Hause. Bitte lass mich dich abholen!«
    Inzwischen kreischte sie fast. Ich nahm die Sonnenbrille ab und wischte mir mit dem Ärmel die Augen ab. Ich musste sie beruhigen. »Bitte Mom, reg dich nicht auf. Ich kann dir nicht sagen, wo ich bin. Ich kann dir nicht erklären, warum ich gegangen bin. Das musst du akzeptieren. Mir blieb nichts anderes übrig. Eines Tages wirst du es verstehen …«
    »Drogen. Es muss mit Drogen zu tun haben. Ich habe dir so oft gesagt …«
    »Es hat nichts mit Drogen zu tun, Mom. Du kennst mich doch. Ich würde mir nie so einen Mist in den Körper pumpen …«
    »Jemand hat sie dir untergejubelt! Ich bin mir sicher. Ein neuer Freund. Jemand hat sie dir ins Essen gemischt oder ins Trinken …«
    »Mom, nein, nichts dergleichen. Alles ist in Ordnung, das schwöre ich.«
    »Aber wo bist du? Wo schläfst du?« Ihr versagte die Stimme; endlich schwand ihre Energie. »Was soll ich nur machen? Ich weiß, dass du da draußen bist, wo es gefährlich ist und ich dir nicht helfen kann – aber was soll ich tun? Oh mein Gott …«
    Ich sah, wie die Verkäuferin in dem anderen Raum ihren Tresen verließ.
    »Mom, ich muss jetzt Schluss machen. Mach dir keine Sorgen, wirklich nicht. Mir geht es gut. Ich melde mich wieder, okay? Sobald ich kann. Sag Manda, dass ich sie lieb habe …«
    Ich musste auflegen. Die Verkäuferin stand im Türrahmen.
    »He, hier darf man nicht rein«, rief sie und strich sich den schwarzen Pony aus den Augen. »Ich bekomme dann Ärger. Was machst du …«
    Doch ich war bereits an ihr vorbeigesaust und rannte wenig später mit dem gestohlenen Baumarktwagen, der fast Funken schlug, den Highway entlang. Mein Gesicht brannte vom Heulen.
    Meine Beute auf den Stützpunkt zu bekommen war recht abenteuerlich. Ich musste einige Hauptverkehrsstraßen überqueren und über unebene Gehsteige holpern. Dabei zog ich ungläubige Blicke auf mich. Außerdem war es nicht leicht, alles über den NASA -Zaun zu hieven. Doch es gelang mir, ohne dass etwas beschädigt wurde. Den orangefarbenen Einkaufswagen schob ich in den Bunker, nachdem ich alles an meinem Turm abgeladen hatte.
    Ich erklomm mein neues Zuhause, schleppte die Werkzeuge hinauf und machte mich fiebrig an die Arbeit – nicht zuletzt, um mich von dem Gedanken an meine Mutter, Manda und die Dummheiten, die ich begangen hatte, abzulenken – von dem Gedanken an all die Schwierigkeiten, in denen ich steckte.
    Zuerst spannte ich gefühlte Kilometer an Kupferdraht um den Turm und die Galerien und hängte klappernde Gegenstände als Warnsystem daran. Den Generator brachte ich nach ganz oben und die Werkzeuge verteilte ich an Schlüsselstellen im gesamten Turm. Die meisten versteckte ich hinter Pfeilern und Rohren, wo man sie nicht sofort sah, ich sie aber bei Bedarf schnell zur Hand haben würde.
    Der Tag verging schneller, als ich gedacht hatte. Ich musste daran denken, was wohl meine Klassenkameraden gerade taten und ob sie sich wunderten, dass ich nicht da war. Wahrscheinlich nicht. Albernerweise fühlte ich mich komisch und hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich mich an einem normalen Schultag hier draußen aufhielt. Gewisse Dinge tut man Jahr für Jahr auf dieselbe Art und Weise, und es fühlt sich nicht richtig an, wenn es auf einmal anders ist.
    Die Sonne zog

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