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Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Titel: Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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den Sinn, außer dass sie die Zeitung gelesen und die Küche aufgeräumt hat. Der Rest ist Nebel.
    Aber angenehm war es trotzdem. Niemand hat sie gebraucht. Allein die Gewissheit, dass solche Augenblicke existieren, gibt ihr die Luft zum Atmen. Trotzdem wünscht sie sich, dass Mattis bald anriefe. Es ist schon nach elf. Ist die Besprechung mit den Chefs der Kanzlei doch nicht so gut gelaufen?
    Wenn er nur nicht enttäuscht wird und wieder in so ein Loch fällt! Ein Kind, das hingefallen ist oder seinen Willen nicht bekommen hat, ist schon anstrengend genug. Etwas ganz anderes sind jammernde, leidende Erwachsene. Mit Mattis’ Selbstmitleid kommt sie überhaupt nicht zurecht. Und er ist in dieser Hinsicht wirklich schlimm – sobald er das kleinste bisschen Gegenwind spürt. Dann liegt das ganze Haus sofort unter einer Gewitterwolke, vor der sie nicht schnell genug Zuflucht suchen kann. Sehr unangenehm.
    Ein Kind im Haus reicht ihr völlig.
    In diesem Moment klingelt das Telefon. Emilie zuckt zusammen, steht vom Küchenstuhl auf und nimmt das Handy, das neben der Brotbox auf der Anrichte liegt, zur Hand.
    Es ist Mattis.
    »Ja?«, meldet sie sich erwartungsvoll.
    »Hier spricht Mattis Steinfjell, Seniorpartner der Kanzlei Bergmann & Hoff. Spreche ich mit Emilie Blomvik, dem süßesten Mädchen der Welt?«
    Emilie schlägt die Hand vor den Mund. »Ist das wahr?«, ruft sie.
    Da kann auch Mattis sich nicht länger zurückhalten und prustet vor Freude los.
    »Super, Schatz! Gratuliere!« Emilie weiß nicht, was sie sonst sagen soll, und auch Mattis scheinen die Worte zu fehlen.
    »Jetzt erzähl schon!«
    »Ach, so viel gibt es da gar nicht zu erzählen. Ich steige einfach eine Stufe weiter auf der Karriereleiter nach oben. Du weißt, was das bedeutet?«
    Emilie schüttelt den Kopf, sagt aber trotzdem Ja. Und dann gibt sie ihm die Gelegenheit, die Lobeshymnen wiederzugeben, die er zu hören bekommen hat. Sie muss sich zusammenreißen, um nicht zu weinen. Seit sie Mutter geworden ist, hat sie fürchterlich nah am Wasser gebaut.
    »Das ist fantastisch, Mattis«, sagt sie, als er irgendwann zum Ende gekommen ist. »Glückwunsch!«
    »Das müssen wir feiern. Ich kaufe ein paar Flaschen Schampus für heute Abend. Wir bestellen uns gutes Essen und lassen uns volllaufen.«
    Emilie antwortet nicht gleich. »Ich habe heute Abend Dienst, Mattis, schon vergessen?«
    Es wird einen Moment lang still. »Kannst du den nicht tauschen?«
    »Das ist zu kurzfristig«, antwortet sie, denkt aber, dass sie sicher jemanden fragen könnte, wenn sie es wirklich wollte. Aber sie will gar nicht mit einem Mattis im Glücksrausch zusammen sein. Weil sie ein bisschen Angst vor den Fragen hat, die er ihr bei so viel Rückenwind stellen könnte. Zum Beispiel, ob sie ihn jetzt endlich heiraten will.
    »Du kannst doch auch ohne mich feiern«, sagt sie und versucht, glücklich zu klingen. Sie freut sich ja wirklich für ihn. »Wann wird es denn offiziell? Kann ich meinen Freunden schon davon erzählen?«
    »Klar kannst du das«, sagt er. »Schatz, ich muss jetzt los. Ich liebe dich.«
    Emilie antwortet nicht sofort. Dann sagt sie leise: »Ich liebe dich auch.«
    26
    Es klingelt an der Tür. Er fährt herum, zieht die Augenbrauen hoch. Kann sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal Besuch bekommen hat.
    Bestimmt jemand, der eigentlich zu einem anderen Hausbewohner will, denkt er. Oder der den Schlüssel vergessen hat. Egal.
    Er dreht sich zu den Computerbildschirmen um. World of Warcraft auf dem einen, Facebook auf dem anderen. Er hat wie jeden Tag ein Profil aufgerufen, das die immer gleichen Schmerzen in ihm wachruft.
    Es klingelt erneut. Er neigt den Kopf zur Seite und steht genervt auf, dann schlurft er zur Tür und wirft einen Blick durch den Spion.
    Den Mann hat er noch nie gesehen. Neben ihm steht eine Frau. Bullen?, denkt er und spürt, wie ein Gefühl von Panik ihm den Brustkorb zuschnürt. Er zwingt sich, ruhig zu bleiben. Wenn das tatsächlich Bullen sind, können die doch unmöglich wegen der alten Schachtel da sein.
    Oder doch?
    Der Mann sieht aus wie ein Lokalpolitiker. Lang und dünn mit schütterem grauem Haar. Kein ernstzunehmender Gegner. Die Frau sieht auch nicht sonderlich durchtrainiert aus. Höchstens eins fünfundsechzig. Kaum Oberweite. Dünne Ärmchen.
    Als er die Tür öffnet, wird er von dem grellen Flurlicht geblendet und muss sich mit der Hand die Augen abschirmen, um die beiden sehen zu können.
    »Guten Tag, wir sind von der

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