Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)
Vollstreckungsbehörde.«
Der Mann stellt sich selbst und die Frau vor, aber die Namen segeln einfach an ihm vorbei.
»Sie wissen, warum wir hier sind?«
Er sieht sie an, schüttelt den Kopf. Lehnt sich gegen den Türrahmen und spürt die spitzen, kalten Kanten des Stahlschlosses im Rücken.
»Sie haben seit geraumer Zeit keine Miete mehr gezahlt, weshalb laut Zwangsvollstreckungsgesetz, Paragraf 13, 2, ein Antrag auf Räumung der Wohnung gestellt wurde. Sie haben diesbezüglich eine Mahnung erhalten, dass Sie vierzehn Tage Zeit zum Ausziehen haben. Wie ich sehe, haben Sie das nicht getan. Haben Sie schon Ihre Sachen gepackt?«
Die Mahnung hat er komplett verdrängt. In den letzten Wochen war er mit seinen Gedanken einfach immer woanders. Und davor hat er darauf vertraut, dass sich schon irgendeine Lösung finden wird, dass ihm noch irgendjemand anders Geld leihen würde, nicht bloß seine Mutter.
Der Mann vor der Tür versucht, einen Blick ins Innere der Wohnung zu werfen, aber er stellt sich ihm in den Weg.
»Tut uns leid, so sind die Vorschriften.«
Die Worte des Vollstreckers treffen ihn wie Hammerschläge. Metallgeschmack macht sich in seinem Mund breit. Er legt sich die Arme um den Oberkörper, sieht die junge Frau mit den blonden, schulterlangen Haaren an. Ihre Augen strahlen Verachtung aus, er hätte nicht schlecht Lust …
»Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie nicht vorhaben, heute auszuziehen?«
Er sieht den Mann an. »Nein, ich … Ich …«
»Gut«, sagt der Vollstreckungsbeamte und wendet sich an seine Begleiterin. »Sie können von Glück sagen, dass Sie einen so kulanten Vermieter haben. Er hat sich bereit erklärt, Ihnen noch einen dreitägigen Aufschub zu gewähren, aber das ist die letzte Frist. Am Donnerstag um zehn Uhr sind wir wieder da, und dann wird die Wohnung versiegelt. Also: drei Tage. Reichlich Zeit.«
Der Mann scheint eine Antwort zu erwarten, aber weder ein Nicken noch ein Dank wären jetzt angebracht. Stattdessen nicken die Beamten und setzen sich wieder in Bewegung. Er selbst tritt einen Schritt zurück und schließt die Tür.
Drei Tage, denkt er, als es endlich wieder still um ihn ist. Wo zum Teufel soll er denn hin? Zu Hause kann er auf keinen Fall wieder einziehen.
Schweren Schrittes schlurft er zurück zum Schreibtisch und zu den Monitoren. Die Rückenlehne des Stuhls knarzt, als er sich setzt. In ihm knarzt es auch, als würde sich in seinem Schädel irgendetwas verschieben.
Er starrt auf ihr Facebook-Profil und den neuen Status, geändert heute Vormittag um elf. Inzwischen mit 49 Likes und 13 Kommentaren versehen. Als noch einer dazukommt, bricht alles über ihm zusammen.
Gut, dass Du bei Mattis gelandet bist. Hätte schlimmer kommen können JJJ Freue mich, morgen mehr zu hören. Küsschen, JK!
Er schüttelt den Kopf, merkt, wie sein Magen sich verkrampft und seine Hände sich zu Fäusten ballen. Eine kalte Kralle legt sich um seinen Nacken, wird zu einem Jucken, das er stillen muss. Blitze, die er auslöschen muss.
27
Es ist ein ätzendes Gefühl, Angst zu haben, wenn man nach Hause kommt.
Obwohl Johanne Klingenberg nicht direkt Angst hat – weil zu Hause Baltazar auf sie wartet, immer gut gelaunt, immer gesellig. Aber seit dem Einbruch vor zwei Wochen ist ihr nicht mehr wohl.
Als sie damals nach der Vorlesung nach Hause gekommen ist, hat sie gleich gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmte. Baltazar verhielt sich so seltsam. Als würde er sie nicht wiedererkennen oder als wäre er unsicher, ob sie ihm wohlgesinnt ist. Erst nachdem sie ihm Milch und ein paar Brekkies gegeben hatte, durfte sie ihn streicheln.
Aber wirklich mulmig wurde ihr erst, als sie das zersplitterte Bild an der Wand entdeckte. Und den roten Fleck neben Baltazars Korb. Als hätte jemand mit Blut auf den Boden gemalt. Sie untersuchte den Kater und stellte erleichtert fest, dass er unverletzt war.
Danach schlich Johanne mit einem Küchenmesser bewaffnet so leise wie möglich von Zimmer zu Zimmer. Sie riss Schränke und Türen auf, hastig und in Alarmbereitschaft, falls sich jemand darin oder dahinter versteckte, aber es war niemand da. Trotzdem rief sie die Polizei. Heutzutage war es schließlich möglich, Verbrecher mithilfe eines einzigen Haares oder eines Tropfen Blutes zu finden. Aber die Polizisten, die schließlich kamen, vertrösteten sie lediglich und appellierten an ihre Geduld. Derlei Dinge könnten sich ewig hinziehen, wenn sie überhaupt je aufgeklärt würden.
Da nichts
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